Zwangsanleihen bei den Kindern

„Substanzverzehr“ und „fehlende Ausgabendisziplin“: Der Landesrechnungshof übt herbe Kritik an der Haushaltspolitik des Senats. Steuerverschwendung lag im vorigen Jahr bei 40 Millionen Euro

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Der mahnende Zeigefinger der Rechnungsprüfer gehört zur Tradition am Jahresanfang. Doch noch nie fiel die Kritik am langfristigen Finanzgebaren eines Senats so scharf aus wie dieses Mal. Es sei kein Ende „des Substanzverzehrs“ in Sicht, mahnte der Präsident des Landesrechnungshofs, Jann Meyer-Abich, am Montag im Rathaus bei der Vorstellung des Jahresberichts 2009. Denn auch im Jahr 2007, das dem missverständlichen Titel zum Trotz der hauptsächliche Gegenstand des Berichts ist, sei Verschwendung von Steuergeld festzustellen gewesen. Die unnötigen Ausgaben bezifferte er auf rund 40 Millionen Euro gegenüber 50 Millionen in 2006.

Das „Ausgabenniveau muss im Verhältnis zu seinen laufenden Einnahmen langfristig gesenkt werden“, verlangte Meyer-Abich. Die Stadt sei noch immer „meilenweit“ davon entfernt, mit ihrem Geld auszukommen, und das sei nicht allein der Finanzkrise anzulasten. „Die Ausgabendisziplin fehlt, wenn trotz bestehenden Finanzierungsdefizits das Ausgabenniveau erhöht wird“, kritisierte der Rechnungshof-Präsident unmissverständlich politische Entscheidungen seit Ende 2007.

Denn vor der Bürgerschaftswahl vor einem Jahr hatte der CDU-Senat Ausgaben von 800 Millionen Euro beschlossen, die nicht im Haushalt gedeckt waren. In den schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen im Frühjahr 2008 waren weitere Kosten in ähnlicher Höhe beschlossen worden. Dadurch verdoppelt sich die Lücke im Investitionshaushalt bis zum Ende der Legislaturperiode 2012 von etwa 1,6 auf rund 3,2 Milliarden Euro.

Mit Blick auf die Finanzkrise erinnerte Meyer-Abich an die jüngsten Steuerschätzungen: „Wir werden 2009 nicht 200 Millionen Euro mehr in der Kasse haben als 2008, sondern über 500 Millionen weniger.“ Deshalb müsse verhindert werden, „dass Konjunkturprogramme auf Pump zu Zwangsanleihen an unseren Kindern werden“.

Einsparpotenzial sehen die Rechnungsprüfer unter anderem bei der bislang in der Hafencity geplanten Architekturhochschule. Diese erfordere Mehrkosten von 58 Millionen Euro. Ein Neubau in Wilhelmsburg sei jedoch um 16 Millionen Euro billiger, noch günstiger käme die Sanierung des bestehenden Standorts in der Hebebrandstraße. Im Strafvollzug gebe es ein Einsparpotenzial in Höhe von langfristig 22 Millionen Euro, weil die Zahl der Häftlinge zurück gehe. Deshalb sei die Reduzierung der Haftplätze und Wärter sinnvoll. Der neue grüne Justizsenator Till Steffen hat bereits erste Schritte zum Abbau der Überkapazitäten in den Knästen angekündigt.

Kritik kam von den Rechnungsprüfern auch mit Blick auf die Universität und die Polizei. Bei der Hochschule sei so lange nicht saniert und investiert worden, dass nun allein für die Beseitigung der Schäden rund 375 Millionen Euro nötig seien. Vernachlässigt worden sei seit Jahren auch die Pflege und Unterhaltung öffentlicher Grünanlagen und Spielplätze. Auch hier könne die Behebung von Versäumtem in der Zukunft teuer werden.

Obwohl bei der Polizei bereits vor Jahren 640 zusätzliche Stellen bewilligt worden seien, habe dies nicht zu einer Stärkung der Kommissariate oder zu einer höheren Polizeipräsenz auf der Straße geführt, kritisierte Meyer-Abich. Stattdessen sei die Verwaltung aufgebläht worden.

Zudem beschränke sich der wegen der Arbeitszeitverlängerung für Beamte auch bei der Polizei nötige Stellenabbau bisher nur auf „Indianer“. Die „Häuptlingsstellen“ blieben außen vor, was zu einer systematischen Verteuerung der Polizei führe.

Dickster Brocken bei den unnötigen Ausgaben seien jene rund 30 Millionen Euro, die Hamburg von 2005 bis 2007 für so genannte Ein-Euro-Jobs ausgegeben habe, „obwohl dies seit Anfang 2005 Aufgabe des Bundes war und hierfür auch Bundesmittel bereitstanden“, sagte Meyer-Abich.

SPD-Finanzexperte Peter Tschentscher hat die Kritik des Rechnungshofs als „diplomatische Ohrfeige für die Haushaltsführung von CDU-Finanzsenator Michael Freytag“ bezeichnet. Dass es für wesentlichen Vorhaben des schwarz-grünen Senats noch immer keine Kosteneinschätzung gibt, sei Besorgnis erregend. Tschentscher verwies auf die Entwicklung des Haushaltsdefizits seit Amtsübernahme von Finanzsenator Freytag. Dieses sei von rund 210 Millionen Euro im Jahr 2007 auf über eine Milliarde Euro in diesem Jahr angestiegen. Deshalb sei die Kritik des Rechnungshofes, dass „die notwendige Ausgabedisziplin fehlt“, absolut gerechtfertigt.