Beherzter Sprung in den Spagat

Nach 22 Jahren bringt er die alte Band wieder zusammen: Joe Jackson wühlte mit seinen ersten Alben die New-Wave-Szene auf, heute erinnert sich im Stadtpark an seine eigene, verjährte Legende

Ganz klar, dass dem mürrischen britischen Musiker Joe Jackson der Gedanke zuwiderlief. Von 25-jährigem Jubiläum, Silberner Hochzeit und großem Comeback waren in der Musikpresse zu lesen. Keine Dimensionen, in denen sich der notorische Nörgler seine Welt einteilt. Dabei hatte er doch nur eine kleine Entscheidung getroffen, die dem 48-jährigen Wahl-New Yorker anscheinend niemand so recht zugetraut hatte. Nach Jahren der oft miss- oder gar nicht mehr verstandenen musikalischen Experimente wandte sich der zappelige Vordenker einer Generation wieder seinen Wurzeln zu.

Also hat er sie mal wieder alle verblüfft, die hämischen Kritiker wie die enttäuschten Fans, indem er, als alle nichts mehr von ihm erwarteten, genau das tat, was sie sich eigentlich wünschten: „Wir müssen die Band wieder zusammenbringen“, mag er gedacht haben und sammelte Musiker aus alten Tagen wieder ein: Gitarrist Gary Sanford, Bassist Graham Maby sowie Schlagzeuger Dave Houghton. Mit ihnen und den ersten drei gemeinsamen Alben hatte er seine Karriere begonnen. Zweieinhalb Jahre, in denen sie die damalige New Wave-Ära aufwühlten, um sie dann, mit einer letzten, wilden Tournee, für beendet zu erklären. Jetzt also das vierte Album der Joe Jackson Band, sinnig als „Volume IV“ betitelt. Ihre Mission von einst setzen sie darauf nahtlos fort. Nämlich ihr Wissen und Können im Swing, Jazz, Latin, Punk oder Rock auszuwringen und zu kompakten Popnummern einzudampfen.

Allerlei alte Lieder aus den ruppigen Tagen wird es heute Abend im Stadtpark von dem blasierten Schelm zu hören geben, ergänzt mit neuem Material von „Volume IV“. Ein entschlossener Sprung in den Spagat, der sich auf die ersten paar Jahre und das aktuelle Album konzentriert – und damit gut 20 Jahre, also den Großteil seiner musikalischen Laufbahn, ausspart. Doch Joe Jackson scheint das Wichtigste gelungen zu sein, glaubt man den überschwänglichen Kritiken seiner bisherigen Europa-Konzerte: Hier tourt kein weiterer aus der bemitleidenswerten Riege der Midlife-Crisis-Rocker. Nein, uncool ist Joe Jackson wahrlich nicht.

Hier blickt vielmehr ein begnadeter Musiker dorthin, wo es ihm momentan passt: Zurück auf den fulminanten Start seiner Ausnahme-Karriere, dessen zurecht umschwärmte Tage er mit einem hochaktuellen, knackigen neuen Album ins Hier und Jetzt verfrachtet. Wer zweifelt, möge im Stadtpark mit frisch gewichsten Schuhen auf einen Martini erscheinen. Volker Peschel

heute, 19 Uhr, Stadtpark