Musentempel verkommt bei laufendem Betrieb

In den Schubladen der Stadt Köln liegen Pläne, die Kölner Oper abzureißen und an anderer Stelle ein neues Opernhaus zu bauen. Der eigentliche Skandal aber ist der desolate Zustand des Gebäudes, das jahrelang vernachlässigt wurde. Eine Würdigung des wichtigen Nachkriegsbaus und seines Architekten

Von CORD MACHENS

Als einer der wichtigsten Nachkriegsbauten entstand in den Jahren 1954-57 das Opernquartier von Wilhelm Riphahn (1889-1963), ein Bau, der seither stolz den Stadtraum dominiert und innen voller Charme ist. Ein Stück prächtiger Architektur, über die in diesen Tagen jedoch kümmerlich diskutiert wird. Stadtkämmerer Peter-Michael Soénius (CDU) will die Oper abreißen, die in einem denkbar schlechten Zustand ist. Ein Neubau an anderer Stelle, so Soénius, käme die Stadt billiger, wenn man das Grundstück nur gut vermarkte. Der Mann sollte sich Köln einmal vom Domturm anschauen, um die städtebauliche Kraft der Oper zu erfassen: zwischen Schildergasse und Hohe Straße, vis-a-vis Dischhaus und Zumthor-Museum – das kann kein Warenhaus leisten.

Nicht Denkmalpflege, nicht Respekt vor dem Architekten und erst recht nicht die Größe des Opernbaus sind Argumente für seine Erhaltung. Nur aus städtebaulichen und architektonischen Gründen kann über Sanierung oder Neubau entschieden werden. Aber der desolate Zustand der Oper verstellt den Blick darauf. Der Bau verkommt bei laufendem Betrieb, und das ist der eigentliche Skandal.

Die schrägen Fassaden sehen heute aus, als wäre das Gebäude seit zehn Jahren unbewohnt. Kleinere, erosionsbedingte Schäden hätten operneigene Werkstätten selbst beheben können, größere Restaurierungen sind Aufgabe der Bauverwaltung, die indes ihre eigene Lethargie besitzt. Dilettantisch ausgeführte Flickereien an der Eingangsfront und die unwürdigen Einbauten in den Foyers lassen vermuten, dass der Leitung des Hauses selbst das Gespür für Architektur und Denkmalpflege abgeht.

Innen stößt sich der Blick zuerst an den Kühlschlangen der Kölsch-Aggregate. Theken mit abgekanteten Ecken sind ebenso fehl am Platz wie die naturholzfarbenen Sitzgruppen und der privat betriebene Bücherstand. Im oberen Foyer ist die Kinderoper zwar eine gut gemeinte pädagogische Ambition, die mächtigen bunten Einbauten zerstören jedoch den Raum.

Draußen ist der Eindruck nicht viel besser. An der Krebsgasse stehen Container, und der Eingang zur „Schlosserei“ ist mit Entlüftungsgewürm dekoriert. Der Offenbachplatz ist nicht gepflegt – ja nicht einmal gestaltet. Vom Charme der Waschbetonpflanzkübel ist es nur ein kleiner Schritt zur „Fassadendekoration“ der Oper selbst. Zur Werbung könnten schmale Fahnen an den Wandscheiben hängen, es sind aber unpassend gedrungene Tafeln, die selbst die wichtige Traufkante überspielen. Schriftleisten und Scheinwerfer sind auf Trägern zwischen Balkone gefrickelt. Peinliches Flickwerk nimmt ihnen jede Autonomie.

Opernkunst und Architektur sollten Hand in Hand gehen. Nicht nur durch Bühnenbildnerei, sondern auch durch das Aperçu „Architektur ist gefrorene Musik“. In Köln indes wird nicht gefroren, hier fühlt man sich an Kölsch-Theken wohl, ohne sich um das Wohl der Architektur zu kümmern. Mit dem Opernbau hat Riphahn ein Niveau anklingen lassen, dem die Stadt offenbar nicht gewachsen ist. Deshalb: Reißt die Oper ein!