Massendemonstration in Hongkong

Hunderttausende fordern am Jahrestag der Rückgabe der ehemaligen britischen Kolonie an China mehr Demokratie. Zwar hat Peking einige wirtschaftliche Zugeständnisse gemacht. Doch auf politischer Ebene bleibt die Regierung hart

AUS HONGKONG CLAUDIA BLUME

Nur wenigen Menschen in Hongkong war es gestern, am 7. Jahrestag der Rückgabe der früheren britischen Kolonie an China, zum Feiern zumute. Bis zu 450.000 Menschen – so die Organisatoren – marschierten stattdessen trotz glühender Hitze stundenlang durch die Straßen, um mehr Demokratie zu fordern. Die unerwartet hohe Teilnehmerzahl ist ein Maßstab dafür, wie viele Menschen hier an der politschen Autonomie zweifeln, die ihnen mit der Abmachung „Ein Land, zwei Systeme“ bei der Rückgabe an China versprochen wurde. Fast alle Demonstranten trugen Weiß als ein Symbol für Einigkeit, Freiheit und Demokratie.

„Wir wollen unsere eigenen Herren sein“, gibt Glen Wong als Grund für sein Kommen an. Dick So, ein anderer Demonstrant, sagt: „Wir wollen Demokratie, das Recht, 2007 und 2008 zu wählen.“

Die meisten Teilnehmer drückten auf dem Protestmarsch ihre Wut darüber aus, dass Peking im April die Hoffnung der Bürger auf ein allgemeines Wahlrecht zerstört hatte. Die Menschen in Hongkong dürfen weder 2007 ihren neun Führer direkt wählen – den Nachfolger des von Peking eingesetzten und äußerst unpopulären Tung Chee-hwa –, noch düfen sie ein Jahr später alle Sitze des Legislativrats, des Parlaments, wählen.

Am 1. Juli vergangenen Jahres waren mehr als 50.0000 Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die schlechte Wirtschaftslage und ein umstrittenes Sicherheitsgesetz zu protestieren und mehr politische Freiheiten zu fordern. Der Massenprotest sandte Schockwellen nach Peking. Die chinesische Regierung versuchte, die Wirtschaft Hongkongs anzukurbeln und so die Gemüter zu besänftigen. Eine Lockerung der Einreisebedingungen für Festlandschinesen etwa hat der Tourismusindustrie Hongkongs Auftrieb gegeben.

Auf politischer Ebene jedoch gibt es keine Zugeständnisse. Drei beliebte Radiomoderatoren kündigten, weil sie angeblich wegen ihrer kritischen Kommentare von Peking unter Druck gesetzt worden waren. Demokratieaktivisten wurden in der chinesischen Presse als „unpatriotisch“ diffamiert. Peking ist nicht nur besorgt darüber, die politische Kontrolle über Hongkong zu verlieren, sondern befürchtet auch, dass die Demokratiewelle auf das restliche China überschwappen könnte.

In den letzten Wochen hatte Peking jedoch plötzlich versöhnlichere Töne angeschlagen und Dialogbereitschaft mit führenden Demokraten in Hongkong signalisiert – in der Hoffnung, dass die Demonstrationen dann weniger aggressiv ausfallen würden. Christine Loh vom Bürgerbüro „Civic Exchange“ glaubt, dass die Charmoffensive ein taktischer Zug im Hinblick auf die Parlamentswahlen am 12. September ist, bei denen die Hällfte der Parlamentarier direkt vom Volk gewählt wird. „Peking weiß, dass die Wahl wichtiger ist als der 1. Juli. Wenn die chinesische Regierung nicht will, dass ihre Kandidaten zu schlecht abschneiden, muss sie alles vermeiden, was die Menschen in Hongkong noch mehr verärgern könnte.“