Argentiniens Rentner sitzen in der Falle

Wegen des Staatsbankrotts sind jetzt die Renten der Argentinier in Gefahr. Die privaten Rentenkassen haben ihr Geld beim Staat verspielt – wer auf ein Sparkonto eingezahlt hätte, hätte heute mehr davon, sagt der Wirtschaftsminister

BUENOS AIRES taz ■ Wenn Roberto Lavagna über das Rentensystem Argentiniens spricht, findet er keine schönen Worte. Das vor genau zehn Jahren teilprivatisierte Modell sei „ein Fiasko“, findet der argentinsiche Wirtschaftsminister. Und in der Tat tickt nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch der Jahreswende 2001/2002 in der argentinischen Altersversorgung eine Zeitbombe – wegen des Staatsbankrotts. Derzeit versucht Lavagna, bei den Gläubigern Argentiniens einen Abschlag auf die Schulden des Landes in Höhe von 75 Prozent rauszuschlagen – sehr zum Missfallen der geprellten Anleger. Insgesamt steht er mit 81 Milliarden Dollar Nominalschuld bei privaten Investoren im Wort. Je weniger er davon zahlt, umso mehr Luft hat er für Infrastrukturmaßnahmen oder Sozialausgaben. Aber: Etwa 20 Prozent der säumigen argentinischen Schuldtitel sind in der Hand der privaten argentinischen Rentenkassen. Und je weniger Lavagna ihnen zugesteht, umso weniger werden sie ihren Rentnern überweisen können.

Dabei sollten die privaten Rentenkassen einst die Altersversorgung der Argentinier sichern. 1994 öffnete der damalige Präsident Carlos Menem den Markt für private Rentenversicherungen, so genannte AFJP. Wenn die Renten der Argentinier privat verwaltet werden, ist das Geld sicherer angelegt, lautete die logische Schlussfolgerung. Im Juli 2000 belief sich das von den AFJP verwaltete Vermögen auf 18,2 Milliarden Dollar.

Derzeit zahlen rund 10 Millionen Argentinier ihre Beiträge an die privaten Kassen. Und ihre Alterseinkünfte sind jetzt in Gefahr. Denn auch wenn internationale Finanzdienstleister wie Citigroup oder Banco Santander hinter den AFJP stehen, so hat trotzdem der Staat die Finanzierung der privat Versicherten garantiert. Bis zu 65 Prozent ihres Gesamtvolumens durften die AFJP in den 1990er-Jahren in argentinische Schuldtiteln anlegen. Doch tatsächlich haben sie sich so einem schwachen Schuldner ausgeliefert: dem argentinischen Staat.

Als der Anfang 2002 seinen Schuldendienst einstellte und den bis dahin im Wechsel 1:1 an den Dollar gekoppelten Peso abwertete, schlitterten auch die AFJP in die Krise. Mit einer Wertminderung der Rentenkonten in Höhe von 28 Prozent müssten alle privat Rentenversicherten rechnen, glaubt man im Wirtschaftsministerium. Wer derzeit 10.000 Peso auf seinem Konto hat, wird bald nur noch 7.200 Peso dort haben, weil die AFJP wegen der Staatspleite Verlust statt Rendite macht. Diese Rechnung freilich hat einen Haken. Von 1993 bis 2001 haben die Versicherten in Dollar einbezahlt und kriegen jetzt Pesos raus, also nur ein Drittel. Wer jetzt ein Guthaben von 10.000 Peso hat, der hat nach heutigem Stand tatsächlich 30.000 Peso eingezahlt.

Nach Ansicht von Lavagna war die private Rentenvorsorge für die Versicherten noch nicht einmal rentabel. Lediglich 67 Prozent ihrer Beiträge flossen auf ein Rentenkonto, der Rest wurde von den horrenden Gebühren aufgefressen. Lavagna bilanziert: „Jeder Beitragszahler, der sein Geld damals auf ein Sparkonto eingezahlt hätte, hätte heute mehr.“ INGO MALCHER