Die Kunsthallen-Reihe „Standpunkt“ präsentiert Jochen Heins „Die zweite Natur“
: Kunsthistorie übersprungen

Schon seit einigen Jahren wird von einer Rückkehr der Landschaft in die Kunst gesprochen, von einem „retour à la nature“. Dieses Zurück zur Natur wurde meist mit postmodernem, ironischem Gestus vorgetragen – oder so abstrakt, dass die Natur in den Fotografien, Malereien, Videos und Installationen fast nicht mehr zu entdecken war.

Bei dem Hamburger Maler Jochen Hein ist das anders, wie die aktuelle Schau Die zweite Natur in der Kunsthalle zeigt – so der Titel der Ausstellung im Rahmen der „Standpunkt“-Reihe. „Ich will keine weiteren Rätsel hinzufügen“, sagt der 1960 in Husum geborene Hein und malt (Acryl auf Rupfen) beseelte Kulturlandschaften, Alleen, Moore, in Dürer-Tradition Rasenstücke oder die Nordsee in Gewitterstimmung – kunsthistorisch zu datieren in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, im Spannungsfeld zwischen Romantik, Realismus, Impressionismus und Pointilismus.

Dass seine Werke zudem in die Kunst des Fotorealismus hinüberschwingen, ist die größte Irritation der Schau. In einem der beiden Räume hängen nur zwei Arbeiten, ein riesiges, dreiteiliges Seestück und das winzige Portrait von Heins kleiner Tochter Jessine, die den Betrachter überrascht anblickt. Oder blickt sie doch auf das Meer? Sicher ist nur eins: Das Meer blickt nicht zurück – die Natur bleibt gleichgültig.

Die Avantgarde des 20. Jahrhunderts hat der Maler komplett übersprungen, auch wenn Künstlertexte eine Nähe zu konzeptionellen Ansätzen vermuten lassen. So könnte etwa Heins 2000 entstandene Allee mehr als hundert Jahre älter sein. Monet, Manet, Renoir und den Pointilisten hätte es in diesem ländlichen Paradies sicher gut gefallen.

So bleibt Die zweite Natur ambivalent: Hein bleibt zwischen malerischen Traditionen, einem sehr sorgfältigen, aufwändigen Arbeitsprozess und seiner existenzieller Sinnsuche unschlüssig. Immerhin hat der romantische Maler den Mut, die unschönen Wahrheiten des Lebens wie ein echter Nihilist auszusprechen: „All unser Streben geht dem Kosmos doch am Arsch vorbei – und das, wo er doch so schön funkelt.“ MARC PESCHKE

Di–So 10–18, Do bis 21 Uhr, Hamburger Kunsthalle; bis 31.8.