Regierung schickt Millionen in die Armut

Koalition und Opposition einigen sich auf Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Mehr als zwei Millionen Langzeitarbeitslose bekommen erheblich weniger Geld. 500.000 Empfänger von Arbeitslosenhilfe gehen völlig leer aus

BERLIN dpa/taz ■ Eine der größten Reformen des Sozialstaats seit Jahrzehnten ist jetzt unter Dach und Fach. Für rund 3,1 Millionen Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger kommt 2005 das Arbeitslosengeld II (ALG II), das aus der Zusammenlegung der bisherigen Arbeitslosen- und Sozialhilfe entsteht. Auf letzte Details einigten sich Koalition und Opposition im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag am Mittwoch.

Bisher waren für Langzeitarbeitslose und erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger unterschiedliche Träger zuständig. Auch die Leistungen waren verschieden. Künftig werden die Betroffenen von der Bundesagentur für Arbeit und den Kommunen gemeinsam betreut, in bis zu 69 Modellbezirken können das Kommunen und Landkreise allein übernehmen.

Die Reform führt für die rund 2,3 Millionen Langzeitarbeitslosen zu erheblichen finanziellen Einbußen. Im Westen beträgt das Arbeitslosengeld II 345 Euro, im Osten 331 Euro im Monat. Zuschüsse gibt es noch für Kinder, Wohngeld und Heizung. Gemildert werden die Einbußen durch eine zweijährige Übergangslösung: Im ersten Jahr gibt es einen monatlichen Zuschlag von 160 Euro für Singles und 320 Euro für zusammen Lebende. Für ein Kind gibt es 60 Euro zusätzlich.

Deutlich schlechter gestellt ist nach dem Hartz-IV-Gesetz künftig, wer früher gut verdient hat: Die steuerfinanzierte Arbeitslosenhilfe liegt derzeit noch bei der Hälfte des letzten Nettoeinkommens. Weil die Anrechnungsvorschriften für Vermögen verschärft wurden, werden rund 500.000 bisherige Empfänger von Arbeitslosenhilfe überhaupt keine Unterstützung mehr bekommen.

Künftig gelten für die Anrechnung von Vermögen des Langzeitarbeitslosen oder dessen Partner folgende Freibeträge: 200 Euro pro vollendetes Lebensjahr. Bei einem 50-Jährigen sind damit 10.000 Euro, bei Ehepaaren 20.000 Euro freigestellt. Zusätzlich bleibt Vermögen zur Altersvorsorge bis ebenfalls 13.000 Euro pro Partner anrechnungsfrei. Für Riester-Sparverträge gibt es keine Obergrenze. Auch für selbst genutztes Wohneigentum in „angemessener Größe“ besteht keine Anrechnungsgefahr, ebenso für ein Auto.

Lehnt ein Langzeitarbeitsloser zumutbare Arbeit ab, muss er Kürzungen hinnehmen. Als zumutbar gilt jede legale, nicht sittenwidrige Arbeit, also auch einNiedriglohnjob ohne tarifliche Bezahlung. RAB

brennpunkt SEITE 4