Viele kleine Töpfe

Der Kampf ums Überleben: Seit die Bildungsbehörde die Zuwendungen für Frauenprojekte gestrichen hat, sucht die Frauenbibliothek Denk(t)räume nach Alternativen zum staatlichen Topf

von Claudia Hangen

Die Stimmung bei Denk(t)räume könnte schlechter sein. Immerhin kann die Frauenbibliothek ihren Betrieb wegen laufender Mietverpflichtungen noch bis Ende 2004 aufrechterhalten. Und: „Wir haben uns entschieden zu kämpfen“, sagt Heidemarie Lange. Seit einem Jahr engagiert sich die 60-Jährige im Projekt und ist überzeugt: „Das Wissen und die Errungenschaften der alten und neuen Frauenbewegung werden auch für die nachfolgenden Generationen von Nutzen sein.“

Heidemarie Lange gehört zur Finanzierungsgruppe von Denk(t)räume, die sich nach der Anfang Juni von Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos) getroffenen Entscheidung, unter anderem den renommierten Frauenprojekten Denk(t)räume, EFA und Flaks den Geldhahn zuzudrehen, spontan gegründet hatte. Am vergangenen Montag trafen die Mitglieder erstmals zusammen, um über Alternativen zum staatlichen Topf nachzudenken.

Wahrscheinlich wird sich Denk(t)räume „aus vielen kleinen Töpfen finanzieren“, erklärt Geschäftsführerin Elsbeth Müller. So sei beispielsweise an „Kultursponsoring von Medienunternehmen und Banken“ gedacht, es könnte auch Patenschaften für Bücher und Regalmieten geben. Denkbar wäre, sich als Stiftung mit Stiftungskapital neu zu gründen. Darüber hinaus will die Gruppe Spendengelder über Solidaritätsveranstaltungen wie Autorenlesungen im Thalia-Theater und im Schauspielhaus erwirtschaften.

Wie auch immer, die rettende Idee muss schnell kommen. „Mit dem Brief des Senats vom 8. Juni wurde uns klar mitgeteilt, dass die staatliche Förderung für das zweite Halbjahr eingefroren wird“, so Müller. Zuvor sanken die Zuschüsse kontinuierlich: „von einst 250.000 Mark auf 115.808 Euro 2001, 71.370 Euro 2002 und null Euro 2005“, bilanziert sie. „Dass wir schließen müssen, bedeutet für uns ein Verlust auf zwei Ebenen“, sagt Müller. Einerseits wird das „kulturelle Gedächtnis“ gelöscht, da „wir Bücher aus drei Jahrhunderten Frauenbewegung im Regal haben“. Andererseits wird auch „unsere Servicearbeit“ mit Existenzgründungstipps für Frauen zunichte gemacht.

Die Senatsentscheidung trifft Elsbeth Müller aber auch ganz persönlich. „Mit 52 Jahren arbeitslos zu sein, ist nicht schön“, sagt sie. Seit 16 Jahren arbeitet sie bei Denk(t)räume, baute in den 80er Jahren das Bildungszentrum für Frauen mit auf und 2001, nachdem die städtischen Zuwendungen um 40 Prozent gekürzt worden waren, die Frauenbibliothek. Seit 2003 steht diese im Verbund mit den Bibliotheken des Landesfrauenrates und der hochschulübergreifenden Koordinationsstelle Frauenstudien/Frauenforschung.

Sollen die 15.000 Bücher, das Dokumenten-, Video-, Presse- und Zeitschriften-Archiv jetzt auf dem „Flohmarkt verscherbelt“ werden? Man werde „Gespräche mit dem Träger des Frauenbildungszentrums über den Verbleib seines Buch-, Zeitschriften- und Filmbestandes führen“, beantwortete der Senat am 22. Juni lapidar die Kleine Anfrage der SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Doris Mandel. Und auch auf die Frage, „ob in Zeiten der Globalisierung und der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes Bildung und Weiterbildung insbesondere für Frauen (...) wichtig ist“, erhielt Mandel nur unbefriedigenden Respons: „Der Senat äußert sich nicht zu rhetorischen Fragen.“

Ein „Konzept“ vermag Mandel daher in der Behördenentscheidung beim besten Willen nicht zu erkennen. Sie ist sich darin mit GAL-Kollegin Katja Husen einig, die dem Senat darüber hinaus „Fahrlässigkeit“ attestiert, da sich die Arbeit der Fraueneinrichtungen wirtschaftlich rechne. Husen: „Wer als arbeitslose allein erziehende Frau über die Beratung und Weiterbildung der Frauenträger eine Arbeit erhält, kann Steuern zahlen und ist auf staatliche Hilfe nicht mehr angewiesen.“