Zwischen Castro und Kommerzolympiade

Der „Internationale Buchtstraßenchor“ ist ein klingend-linker Hort der Basisdemokratie. Jetzt haben die SängerInnen das kubanische Ensemble „Vocal Leo“ zur Chorolympiade eingeladen – diese aber ist alles andere als kulturpolitisch korrekt

Bremen taz ■ Was ist in Bremen noch wirklich links? Die Chorszene. Da gibt es etwa die demonstrationserfahrene „Chorwerkstatt“. Die antirechte Gesangsaktion „ZivilCHORage“. Und nicht zuletzt den „Internationalen Buchtstraßenchor“. Der hat sich jetzt mit einer Kuba-Chorolympiade-Kooperation in neue politische Gewässer begeben.

Aufbauend auf einem Havanna-Besuch vor zwei Jahren haben die Buchtsträßler derzeit das kubanische Ensemble „Vocal Leo“ zu Gast, dem sie somit auch die Teilnahme an der am 8. Juli beginnenden „Chorolympiade“ ermöglichen. „Vocal Leo“ – hochgelobt für seien Sound sowie die eingebauten Salsa-Choreografien – wird von Profis geleitet, die in der staatlichen Kulturhierarchie ganz oben stehen: Jorge Luis Pacheco, jetzt beim Fernsehen, war Generaldirektor der kubanischen Nationaloper, seine Leitungskollegin Corina Campos Morales ist die ranghöchste Chorfunktionärin der Insel. Der Buchtstraßenchor verkörpert das schiere Gegenteil: basisdemokratisch, verbandsfrei, der emanzipatorische Anspruch darf im Zweifelsfall den ästhetischen ausstechen. Hätte da nicht die Kooperation mit einem etwas ähnlicher orientierten Partner näher gelegen? „Wir konnten unsere Kontakte nur über offizielle Stellen knüpfen“, sagt Martin Lugenbiehl vom Buchtstraßenchor. In der Tat aber habe das ganze Kuba-Projekt des Chores für kontoverse Diskussionen in den eigenen Reihen geführt. Auch vor Ort, als etwa der Besuch der Guevara-Höhle für unterschiedlichste Reaktionen zwischen Rührungstränen und Führerkult-Kritik gesorgt habe.

Mit der Einladung der Kubaner, während der „Chorolympiade“ nach Bremen zu kommen, konfrontiert sich der Buchtstraßenchor mit einem weiteren politischen Problemfeld: Die für 18.000 TeilnehmerInnen konzipierte Veranstaltung ist wegen ihres kommerziellen Hintergrundes höchst umstritten. Lugenbiehl: „Das ist nicht unsere Sache.“ Den kubanischen Gästen aber habe man zusätzliche Anreize und Profilierungsmöglichkeiten bieten wollen. Seine Chor-Kollegin Frauke Alber fügt hinzu: „Das klassische linke Konzept wäre gewesen, eine Anti-Chorolympiade zu organisieren. Aber man muss sich überlegen, wofür man seine Energien einsetzt.“

Immerhin haben die Buchtstraßenleute durchsetzen können, dass sie die Kubaner bei sich zu Hause unterbringen dürfen. An sich nämlich sind alle Teilnehmer verpflichtet, Reise und Hotel pauschal über den Verein „Interkultur“ zu buchen – der die „Olympiade“ auch veranstaltet. An dieser „Spielart“ des olympischen „Dabei sein ist alles“ erhärtet sich für viele Kritiker der Verdacht, dass es womöglich doch nicht nur um die von den Veranstaltern viel beschworene „Völkerverständigung“ gehen könne.

Kulturpolitische Brisanz hat das Bemühen der aus dem hessischen Pohlheim kommenden Chorolympiker, nicht nur Wirtschaftsfördergeld aus öffentlichen Haushalten zu bekommen (in Bremen 2,56 Millionen Euro), sondern auch deren Kulturmittel. Konkrete Konkurrenz besteht zum vom Musikrat organisierten (fachlich hoch renommierten) „Deutschen Chorwettbewerb“. Dessen Förderung durch die Bundesbauftragte für Kultur hätte die „Chorolympiade“ gerne für sich.

In Bremen sorgt außerdem die Diskrepanz zwischen Basis- und Event-Förderung für Unruhe. Hier sind nicht einmal die 170 Euro pro Jahr und Chor vorhanden, mit denen alle anderen Bundesländer die Finanzierung von qualifizierten Chorleitern unterstützen. Übrigens: Das Geld für den „Vocal Leo“-Besuch will der Buchtstraßenchor alleine aufbringen: 11.000 Euro. Dafür werden jetzt UnterstützerInnen gesucht. Henning Bleyl

„Vocal Leo“ tritt am Sonntag 20 Uhr – gemeinsam mit Buchtstraßenchor und Bremer Chorwerkstatt – im Schlachthof auf und ist vom 14. bis 18. Juli im Rahmen der „Chorolympiade“ zu hören.