Tanzen wird endlich wieder politisch

Das Oberverwaltungsgericht hat das juristische Hickhack um die Nachfolge der großen Loveparade beendet: Am 10. Juli laufen in Berlin nun offiziell zwei Musik-Demos. Der Protest gegen die Großen der Tonträgerindustrie findet am Großen Stern statt

VON TOBIAS VON HEYMANN

Eine Musik-Demo statt der Loveparade – und das am 10.Juli direkt unter der Siegessäule: Das Oberverwaltungsgericht hat per Beschluss das juristische Hickhack um den „MusicDay“ beendet. Veranstalter und Versammlungsbehörde einigten sich gestern Nachmittag auf einen Kompromiss. Der Protest unabhängiger Musiker gegen die aktuelle Politik der Major-Labels ist jetzt offiziell genehmigt. Am 10. Juli laufen in Berlin nun offiziell zwei Musik-Demos.

Hintergrund des Streits in der Tonträgerszene ist der Entschluss der großen fünf – Sony, Universal, EMI, Warners, BMG –, etwa die Hälfte der fälligen Gema-Tantiemen vorerst nicht mehr an die Kleinen der Branche zu überweisen. Die sehen sich dadurch akut in ihrer Existenz gefährdet.

Laut Gerichtsbeschluss müssen sich die Organisatoren jetzt auf den Großen Stern und die Seitenstraßen beschränken, um „Mit Musik gegen den Ausverkauf der Musik“ zu protestieren. Von 14 bis 19 Uhr sollen dort auf einer Hauptbühne an der Siegessäule und auf fünf Nebenbühnen Künstler und Independent-Aktivisten auftreten – und flammende Reden halten. Denn mindestens die Hälfte der Zeit muss laut Gericht für politische Redebeiträge genutzt werden. Außerdem dürfen Trucks nur im Stehen Musik spielen, gewissermaßen als Bühnen auf Rädern. Einen genauen Ablaufplan samt Rednerliste müssen die Anmelder ebenfalls schnell vorlegen. „Das Gericht hat unsere politischen Ziele jetzt anerkannt“, freut sich „MusicDay“-Initiator Kay Neumann über das glimpfliche Ende des Streits. „Da wir keinen Umzug machen können, werden wir unser Anliegen jetzt stationär zum Ausdruck bringen.“ Übers Wochenende will er das Konzept so überarbeiten, wie Gericht und Behörden es fordern.

„So wie der MusicDay zunächst angemeldet war, wäre er durch alle versammlungsrechtlichen Roste gefallen“, sagt Joachim Haß, Leiter der Versammlungsbehörde. Musik reiche nicht zum Demonstrieren. Er verweist auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Loveparade. „Es sei denn, die beteiligten Musiker hätten ihr Anliegen in Songs vorgetragen oder sie hätten das Gema-Thema vertextet. Doch das haben die Jungs ja nicht gemacht.“ Auch wenn jemand den extra gedichteten Demotext vertont hätte, hätte er zugestimmt. „Doch das, was jetzt vereinbart ist, ist eine Versammlung. Sie entspricht dem, was die Richter vorgeben.“ Zugleich weist er die im Vorfeld geäußerte Kritik an seiner Behörde zurück. „So etwas wie Müllkosten darf nicht der Allgemeinheit zur Last fallen.“ Kommerz müsse außen vor bleiben. Der Ausgang all dessen ist offen: „Niemand kann voraussagen, wie viele Menschen jetzt wohin gehen“, sagt Haß.