Sorge vor weiteren Racheakten

Aus Sicherheitsgründen soll der Bruder des am Freitag in Schwanewede getöteten Hussein E. Z. von der Justizvollzugsanstalt Bremen-Oslebshausen nach Niedersachsen verlegt werden

VON EIKEN BRUHN

Der Bruder des am Freitag in Schwanewede erschossenen Hussein E. Z. soll aus Sicherheitsgründen die Justizvollzugsanstalt Bremen-Oslebshausen verlassen. „Eine Verlegung nach Niedersachsen wurde geprüft“, bestätigte gestern die Sprecherin des Justizsenators, Verena Korrell. Zwar sei nicht sicher, dass der 43-jährige Getötete wie befürchtet Opfer eines Racheaktes wurde, aber man wolle jetzt kein Risiko eingehen, so Korrell.

Zum Hintergrund: Die Brüder waren gemeinsam mit einem Cousin wegen einer Schlägerei im Bremer Lokal „Borneck“, bei der vor drei Jahren ein 18-Jähriger erstochen wurde, zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Keiner von ihnen war aber nach Auffassung des Gerichts an den tödlichen Angriffen beteiligt, die eigentlichen Täter sollen in den Libanon geflohen sein. Doch trotz des Richterspruchs, der vom Bundesgerichtshof bestätigt wurde, hielten die Angehörigen des jungen Mannes daran fest, dass Hussein E. Z. der Täter war und bedrohten ihn bereits während des Prozesses massiv. Auch in der Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Bremen-Oslebshausen hatten ihn nach eigener Aussage inhaftierte Mitglieder des polizeibekannten Clans M. angegriffen. Unter anderem deswegen hatte er beantragt, den Rest seiner Strafe in Bremerhaven abzusitzen. Dort musste er sich in der Regel nur nachts einfinden: Wegen seiner günstigen Sozialprognose, und weil er nur noch zwei Jahre abzusitzen hatte, durfte er als Freigänger weiter im Blumengeschäft seiner Lebensgefährtin arbeiten.

Über seine Einschätzung, dass die M.s auch nach dem Urteil versuchen würden, sich an ihm rächen würden, gibt es unterschiedliche Angaben. Im Herbst hatte Hussein E. Z. einem taz-Reporter von seiner Sorge berichtet, dass jemand aus dem Clan M. ihm etwas antun würde. Auch seinem Anwalt Horst Wesemann gegenüber hatte er Entsprechendes geäußert. „Ihm ist von der Polizei gesagt worden, dass er gefährdet ist“, so Wesemann. Ein Sprecher der Bremer Polizei sagte gestern, es habe im August 2008 „einen vagen Hinweis auf eine Bedrohungslage“ gegeben, den Ermittlungen aber nicht hätten „verifizieren“ können. „Wir haben die Gefährdungssituation mit ihm durchgesprochen, dabei hat er gesagt, dass er sich jetzt sicher fühlt“, so der Polizeisprecher. Und: „Die Monate, in denen nichts passiert ist, schienen dem Recht zu geben.“

Keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung hatte nach eigenen Angaben auch die Justizbehörde. Anfang Januar habe er in der Justizvollzugsanstalt Bremerhaven angegeben, sich nicht gefährdet zu fühlen, so die Justizsprecherin Korrell. „Mit Herrn E. Z. sind aufgrund der gegenüber den Gefangenen bestehenden Fürsorgepflicht regelmäßig Gespräche geführt worden. In diesen hat er stets betont, draußen sicher zu sein.“ Korrell bestätigte, dass E. Z. in der Untersuchungshaft angegriffen wurde. „Es gab eine verbale Auseinandersetzung, eine Rangelei sowie eine Handgreiflichkeit mit einem anderen Gefangenen.“ Zumindest in einem Fall habe es sich beim Kontrahenten offenbar um ein Mitglied des Clans M. gehandelt. E. Z. sei daraufhin bis zum Ende seiner Untersuchungshaft am 15. November 2007 „besonders gesichert untergebracht worden“.

Sollte sich der Verdacht auf eine so genannte Blutrache bestätigen, müssten sich alle am Borneck-Prozess Beteiligten fragen, ob sie richtig gehandelt hätten, sagte Anwalt Wesemann gestern. „Dazu gehört auch, dass man als Vertreter eines Geschädigten ständig dafür werben muss, dass ein solcher die Sanktionen dem Gericht überlässt und nicht meint selbst noch nachlegen zu müssen“, sprach Wesemann aus eigener Erfahrung. In diesem Fall sei die Familie möglicherweise in ihrer Überzeugung, Hussein E. Z. sei der Täter, dadurch bestätigt worden, dass ihre Anwälte damit die Revision des Prozesses begründeten. Zum anderen gab Wesemann zu bedenken, dass die Richter die Angehörigen sehr spät in ihre Schranken gewiesen hätten. Diese hatten als Nebenkläger Hussein E. Z. im Gerichtssaal mehrfach verbal und körperlich angegriffen und die Verteidiger beschimpft.

Die Polizei sucht unterdessen weiterhin nach dem Täter, der nach Zeugenaussagen in einem dunklen Fahrzeug mit Bremer Kennzeichen geflohen ist.