Kennedy für den Mond, Obama für die Schulen

Präsident Obama plant ein Riesenprogramm zur Erneuerung der Schulen. 150 Milliarden Dollar für schönere Schulen, schnellere Netze und moderne Unis – falls der Senat mitspielt

Die Investitionen sollen innovativen Unterricht und neues Lernen belohnen

Der Vorschlag ist so einfach wie genial. Es geht um die Lehrer, weltweit das Sorgenkind der Bildungsinstitutionen. (Wie üblich von Finnland abgesehen.) Die Frage ist, wie kriegt man endlich wieder gute Leute in die Schulen angesichts des kargen Gehalts. In Scharen laufen gerade US-amerikanische Lehrer den Schulen davon, weil sie zu wenig verdienen.

Man solle, so also die Idee, den Lehrern einfach die Steuern erlassen. Damit sich künftig auch fähige Leute für diese knochenharten Jobs in Amerikas Innenstädten interessieren. Steuerbefreiung für Pauker – da muss man erst mal drauf kommen. Weltweit wurde die Idee in Blogs und Foren diskutiert.

Das flammende Plädoyer tax cuts for teachers war in eine Bildungspredigt eingebettet, und sie kam von Thomas L. Friedman. Der Kolumnist der New York Times ließ sie in dem Satz gipfel: „J.F.K. took us to the moon. Let B.H.O. take America back to school.“ John F. Kennedy führte uns auf den Mond. Lasst Barack Obama uns zurück auf die Schulbank führen! Kleiner hat es der vielfache Weltbestsellerautor Friedman nicht.

Aber Friedman ist nicht allein. Es könnte tatsächlich bald Geld regnen auf die US-Bildungslandschaft. Unvorstellbar viel Geld: 41 Milliarden Dollar für die Reparatur und Modernisierung von rund 10.000 Schulen, 79 Milliarden für die Bildungsbudgets der Bundesstaaten, 15,6 Milliarden für staatliche Studienbeihilfen, 6 Milliarden für die Modernisierung von Universitäten, 10 Milliarden für Forschungseinrichtungen und 6 Milliarden für den Ausbau eines landesweiten Breitbandnetzes. Insgesamt rund 150 Milliarden US-Dollar.

Die amerikanischen Bildungsinvestitionen überschreiten die deutschen etwa um den Faktor 20. Washington gibt in der Krise 20-mal so viel aus für Wissen und Forschung wie Berlin. Geht es nach Präsident Barack Obama, wird dieses Füllhorn ab Mitte Februar per Gesetz über dem ganzen Land ausgeschüttet.

Als Teil des „Gesetzes zur Erholung und Neuinvestition für Amerika“, wie das Gesetzespaket zur Stimulation der US-Wirtschaft heißt, wäre diese Initiative die größte Bildungsinvestition, die die US-Bundesregierung je unternommen hat. Kommt das Megaprogramm durch den US-Kongress, würde sich das Budget des US-Bildungsministeriums in zwei Jahren verdoppeln.

Doch diese Aussicht führt in den Provinzen der USA zu Bauchschmerzen. Denn mit dieser Summe würde sich zwangsweise die Rolle des Staates in der Bildungspolitik dramatisch verstärken, etwas, was unter Konservativen auf wenig Gegenliebe stößt, da Bildung traditionell Sache der Staaten und Kommunen ist. Die Republikaner lehnten die erste Lesung des Gesamtpaketes im Repräsentantenhaus ab. Diese Woche muss das Gesetzesbündel durch den Senat, und noch ist ungewiss, was nach dem Tauziehen zwischen beiden Parteien von Obamas Sozialprogrammen übrig bleiben wird.

Die Sorgen in den 15.000 Schuldistrikten der USA sind so grundständig, dass es viele Lehrende zunächst mehr interessiert, ob sie ihren Job behalten oder ob die Schulen schließen. Die demokratischen Gouverneure flehten die Washingtoner Regierung bereits um Hilfe an. Der US-Kongress gewährte ihnen 79 Milliarden Dollar. Die dramatisch zurückgehenden Steuereinnahmen führen in vielen Distrikten dazu, dass bei Kindergärten, Vorschulen und speziellen Förderprogrammen für behinderte Kinder gespart werden muss.

Dass Familie Obama, deren Töchter selbst noch Schulkinder sind, das Thema Bildung am Herzen liegt, daran ließ Michelle Obama keine Zweifel. Ihr erster offizieller Besuch als First Lady galt am Montag dem Bildungsministerium. „Ich wäre heute nicht in dieser Position“, sagte sie, „wenn mir Schulen nicht auf dem Weg geholfen hätten.“ Und weiter: Die Investitionen „sollen die Bildungsreform beschleunigen, in dem innovative Herangehensweisen an den Unterricht und an das Lernen belohnt werden“.

Die US-Lehrergewerkschaften wie die National Teachers Association sind zunächst zufrieden und halten sich mit einer Debatte über neue Ansätze bei der Pädagogik bedeckt. Der Ansatz der Obama-Regierung ist ein auf empirische Daten gestützter Reformkurs, fern von ideologischem Hickhack, der das US-Schulsystem in den letzten Jahren dominierte. Dabei soll das Investitionsgeld auch als Druckmittel genutzt werden: Bundesstaaten, die fortschrittlichen Unterricht fördern, sollen mehr Geld bekommen als Staaten, die sich der Reform verschließen.

Wie stark sich die Washingtoner Zentrale wirklich einmischen wird, bleibt unklar. Kritiker befürchten, dass die US-Regierung am Ende nur ein paar vielversprechende Pilotprogramme fördern könnte, ohne das Bildungssystem grundlegend auf den Kopf zu stellen. Besorgnis äußern Experten auch darüber, was nach dem Geldsegen kommt und ob es genügt, zwei Jahre lang reinzupumpen, um dann abrupt wieder aufzuhören. ADRIENNE WOLTERSDORF