Liberalradikal auf Konfrontation

Im Kampf gegen die mediale Nichtbeachtung radikalisiert sich die FDP weiter. Der Aktionismus soll mangelnde Konzepte verdecken: Gegen die „Konsenssoße“ setzen die Liberalen allein auf den Markt

VON ANDREAS WYPUTTA

„Subventionsirrsinn“, „Konsenssoße“, „Holzhammer“: Nordrhein-Westfalens Liberale sind Freunde starker Worte. Offensiv will die Partei bei den anstehenden Wahlen punkten – und so das Konzept ihres toten Übervaters Jürgen Möllemann umsetzen. Die FDP sei wegen ihrer schwachen Finanzlage auf die „Zusammenarbeit“ mit den Medien angewiesen, hatte der bereits im Landtagswahlkampf vor fünf Jahren geworben und auf das „branchenübliche Geben und Nehmen“ verwiesen: „Wir liefern Inhalte.“

Doch an neuen Ideen mangelt es der Partei erkennbar, während die Parteifinanzen nach Möllemanns Parteispendenaffäre mit einen Minus von 8,4 Millionen Euro weiter in Richtung Desaster rutschten und möglicherweise weitere Strafzahlungen in Millionenhöhe drohen. Konzeptionslos setzt die Partei auf noch stärkeren Marktradikalismus: In Anlehnung an die chinesischen Sonderwirtschaftszonen fordert Gerhard Papke, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, ernsthaft die „Errichtung eines Sonderwirtschaftsgebiets Ruhr“. Erkennbares Ziel: Die landesweite Absenkung sozialer und ökologischer Standards. So wollen die Liberalen den „Kündigungsschutz für Betriebe mit weniger als 20 Mitarbeitern“ wie das Tariftreuegesetz aussetzen, den Bau neuer Straßen dagegen schneller durchziehen.

Ohne Rücksicht auf die Folgen sofortiger Zechenschließungen geißelte auch FDP-Fraktionschef Ingo Wolf in der Landtagsdebatte zur Energiepolitik Steinkohle- und Windkraftsubventionen – Rot-Grün auf Landesebene sei damit verantwortlich für die hohen Energiepreise. Und FDP-Bildungsexperte Ralf Witzel kritisiert den mühsam errungenen Ausbildungskonsens, mit dem Wirtschaftsvertreter ihre Mitverantwortung immerhin anerkennen, als „Konsenssoße“, die „weniger“ benötigt werde.

Alternativen aber fehlen: Zur Senkung der Sozialversicherungsbeiträge über die durch die Ökosteuer höheren Energiepreise schweigt auch Fraktionschef Wolf. Und wie Bildungsexperte Witzel mehr Ausbildungsplätze ohne Konsens zwischen Politik, Gewerkschaften und Arbeitgebern schaffen will, bleibt sein Geheimnis.

Das Ergebnis: Die Düsseldorfer Liberalen gelten immer mehr als chaotische Klamauktruppe, die erhoffte Medienresonanz bleibt aus. „Unkoordiniert“ sei besonders die Fraktion, ist aus dem Landesverband immer öfter zu hören – ohne Rücksprache würden sich die Abgeordneten mit immer neuen immer radikaleren Forderungen überbieten. Entnervt warf Fraktionssprecher Andreas Theyssen nach nicht einmal einem Jahr das Handtuch, wechselte zur Financial Times Deutschland. Auf seinen Nachfolger Holger Schlienkamp, bisher stellvertretender Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, wartet eine große Aufgabe – wie auf Theyssen vor einem Jahr.