berliner szenen „Mittel, nicht schlecht“

Schriftsteller-Smalltalk

Die bodygebildete Barfrau in der Alten Kantine der Kulturbrauerei fährt den Mann an: „Hast du überhaupt ‚Hallo!‘ gesagt? Ich jedenfalls wünsche einen ‚Guten Tag‘.“ Er gibt seinen Freigetränkbon ab für ein Wernesgrüner Pilsener, geht mit der Flasche ins Foyer. Er unterhält sich mit einem Kollegen über das schreckliche Berliner Publikum, der andere versucht es mit dem herrschenden kulturellen Überangebot zu entschuldigen und behauptet außerdem, die Bücher seines Gesprächspartners verkauften sich schlecht. Der widerspricht: „Mittel, nicht schlecht.“ „Du musst Psychosen haben, die braucht man zum Schreiben. Das hat Jochen gesagt.“ „Für Jochen mag es ja zutreffen.“ Dann geht es darum, bei welcher WM sich die erste arabische Fußballmannschaft auf dem Spielfeld in die Luft sprengen wird und was für einen grandiosen Fernsehsketch à la Monty Python das ergäbe.

Nach der Vorstellung gehen die Mitwirkenden in die Kneipe „Zum Schusterjungen“. Wie toll die Reformbühne damals im Schokoladen gewesen sei, schwärmen sie, und wie schlecht sie jetzt ist. Was für eine Unverschämtheit es von dem Broder sei, abzustreiten, dass er auf dem Judenticket reise, warum habe er denn Wladimir und Jakob so herausgestellt im Spiegel?

Jochen fragt nach schwulen Schriftstellern, außer Hinark Husen, der es ja in jedem Text thematisiere: Oscar Wilde, Thomas Mann. „Maxim Biller“, wirft der eine in die Runde, ohne Echo. Dann geht es um Michael Mann, der sich nach Veröffentlichung der Tagebücher seines Vaters Thomas totgesoffen hat, alle Germanistik-Kollegen sagten: „Die Tagebücher haben ihn umgebracht.“ Die Äußerungen waren aber auch nicht gerade harmlos, dass sie ihn lieber hätten abtreiben sollen und so. FALKO HENNIG