Fossil Atomenergie

Die Atomindustrie wird seit eh und je subventioniert. Das ist zum Großteil nicht rechtens. Dagegen entspricht die Förderung erneuerbarer Energien dem Gesetz und ist innovativ

Langfristig werden regenerative Energien konkurrenzfähig und Arbeitsplätze geschaffen

In diesem Sommer wird das „Europäische Gericht Erster Instanz“ darüber urteilen, ob die Subvention deutscher Atomkraftwerke durch die Bundesrepublik rechtmäßig ist. Geklagt haben vier deutsche Stadtwerke. Dieses Verfahren ist besonders wichtig, denn bekanntlich lässt die Atomkraftlobby keine Gelegenheit aus, die Förderung erneuerbarer Energien durch die Bundesregierung als Sündenfall der freien Marktwirtschaft zu geißeln.

Dumm nur, dass die EU-Kommission bereits 1999 wegen der milliardenschweren Steuergeschenke für die deutsche Atomwirtschaft ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleitete – und damit deutlich machte, dass gerade der deutsche Strommarkt alles andere als liberal ist.

Staatshilfen für Unternehmen sind nämlich verboten. Und genau dies stellt die Vorzugsbehandlung von Rückstellungen für Entsorgung und Stilllegung der Atommeiler dar. Eon und Co. spült das riesige Summen in ihre Kriegskasse, mit der sie dann die kommunalen Stadtwerke oder andere Kleinanbieter plattmachen. Wenn irgendwann in Deutschland das letzte AKW vom Netz geht, werden sich nach konservativen Schätzungen die Steuergeschenke auf 20 Milliarden Euro summiert haben, bestehend aus aktuellen Steuerersparnissen und künftigen Zinsgewinnen auf Kosten von Otto Normalsteuerzahler.

Ähnlich großzügige Staatsknete bekommen nur noch die Agrarindustrie und der Klimakiller Nummer eins, die Kohle. Da Erzeuger regenerativer Energien und andere Produzenten von sauberem Strom dadurch benachteiligt werden, beantragten einige deutsche Stadtwerke (u. a. Tübingen, Cottbus) das besagte Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, das die EU-Kommission erst nach einigem Zögern einleitete und dann erwartungsgemäß einstellte. Gegen diese Entscheidung haben die Stadtwerke jetzt Nichtigkeitsklage erhoben. Sollte sich das Europäische Gericht in Sachen Steuersubventionen treu bleiben, wird es der Klage der Kommunen stattgeben müssen.

Denn eine Extrawurst für die Nuklearindustrie kennt das EU-Wettbewerbsrecht nicht. Und der Euratom-Vertrag ist auch kein Reservat für die grenzenlose Unterstützung von Atommeilern, auch wenn Anwälte der Atomindustrie das immer wieder suggerieren. Dies hat die EU-Kommission bereits 1982 im Rahmen der Transparenzrichtlinie entschieden. Folglich sind die Steuergeschenke an Artikel 87 EG-Vertrag zu messen, der eine der schärfsten Waffen der EU-Kommission gegen Mauscheleien zwischen Staat und Großkonzernen ist.

Danach sind staatliche Beihilfen dann unzulässig, wenn sie auf einer Anwendung des Steuerrechts beruhen, die speziell auf bestimmte Unternehmen zugeschnitten ist. Genau diese selektive Begünstigung einzelner Unternehmen im Energiemarkt stellen die besagten Subventionen dar. Wendete man nämlich das Steuerrecht bei der Atomindustrie genau so an wie bei allen anderen Unternehmen, würde die Atomwirtschaft einen Großteil der Vergünstigungen nicht bekommen. Denn nur Rückstellungen für sachlich und zeitlich genau konkretisierbare Verpflichtungen erkennt der Bundesfinanzhof an.

Daran hapert es aber vor allem bei den Stilllegungsverpflichtungen der Atomindustrie. Die flexiblen Laufzeitregelungen des Atomkonsenses mit der Möglichkeit der Übertragung von Reststrommengen sowie die verschiedenen Stilllegungsvarianten lassen den Stromkonzernen mehr Spielraum, als es das Steuerrecht erlaubt. Zudem verlangt der Bundesfinanzhof Sanktionen für den Fall, dass die Verpflichtungen, für die Rückstellungen gebildet werden, nicht erfüllt werden. Auch daran fehlt es, da bei den Stilllegungs- und Entsorgungsverpflichtungen das Atomstrafrecht wie das Bußgeldrecht fast leer laufen.

Jeder Handwerker oder Mittelständler könnte ähnlich unklare Belastungen nicht steuermindernd ansetzen. Um der teuren Atomkraft dennoch ein Überleben zu sichern, schuf das Finanzministerium 1975 – parallel zum In-Kraft-Treten des Atomgesetzes – einen Erlass, wonach die Finanzbehörden gegen die gängige Steuerpraxis trotzdem verpflichtet wurden, die Rückstellungen anzuerkennen. Diese Lex Atomkraft wurde inzwischen auch durch die Steuerreform bestätigt. Durch diese Begünstigung der Nuklearindustrie verstößt Deutschland seit Jahrzehnten gegen europäisches Wettbewerbsrecht.

Die Begünstigung der Atomindustrie verstößt gegen europäisches Wettbewerbsrecht

Der Eindruck einer unzulässigen Bevorzugung wird noch durch zwei weitere Indizien verstärkt: Die Ermittlung der Höhe der Rückstellung erfolgt durch eine private Gutachterfirma, die Nuklear-Ingenieur-Service GmbH (NIS). An dieser Firma sind indirekt auch einige der Kernkraftwerksbetreiber beteiligt. Üblicherweise werden solche Gutachten von unabhängigen Wirtschaftsprüfern erstellt. Pikant: Je höher die Rückstellung, desto höher die Steuerersparnis.

Sollte der Europäische Gerichtshof die Subventionen kippen, blieben die in der Vergangenheit gezahlten Subventionen mit hoher Wahrscheinlichkeit trotzdem unangetastet, da Eon und Co. sich insoweit auf Erlasse und Gesetze des Bundes stützen können. Für die Zukunft aber müssen diese Regeln geändert werden. Die Folge wäre eine Verteuerung des nun nicht mehr staatlich subventionierten Atomstroms und damit automatisch eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit anderer Energieanbieter. Zieht man in Betracht, dass zurzeit auch EU-Gerichtsverfahren gegen Clements Kohlesubventionen laufen und diese – nähme die EU ihr eigenes ordnungspolitisches Credo ernst – ebenfalls aufgehoben werden müssten, wären große Sieger dieser Verfahren die regenerativen Energien. Deren Förderung hat der Europäische Gerichtshof übrigens in einem von PreussenElektra angestrengten Verfahren abgesegnet. Grund: Die EU hat sich im Rahmen des Kioto-Prozesses zu einer Senkung der klimaschädlichen CO2-Emissionen verpflichtet. Machbar ist das nur mit Strom aus Sonne, Wind und Geothermie.

Anders als bei der angestaubten Kernkraft und dem Fossil Kohle geht es hier um technologischen Fortschritt und Innovation. Starthilfen für Hochtechnologie sind nämlich EU-rechtlich erlaubt, und die Atombranche bekam sie in ihren Anfängen auch, übrigens zusätzlich zu den hier interessierenden Steuervergünstigungen. Langfristige Folge wird also die zunehmende Konkurrenzfähigkeit regenerativer Energien, die Technologieführerschaft Europas in den Schlüsselmärkten der Zukunft und damit Arbeitsplatzsicherung sein. Und ganz nebenbei wird noch das Klima entlastet, die Energieinfrastruktur modernisiert und dezentralisiert, vorausgesetzt, die Grünen setzen ihr gewachsenes politisches Gewicht in dieser Richtung auch ein. Aber auch der Steuerzahler könnte sich freuen: Das eingesparte Geld ließe sich zur Gegenfinanzierung weiterer Steuersenkungen verwenden. Man könnte es aber auch in Bildung, Forschung, Kindergartenplätze oder zur Senkung der Lohnnebenkosten verwenden. CHRISTOPH PALME