Wahlen in Afghanistan verschoben

Die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sollen vor allem wegen Sicherheitsbedenken erst später stattfinden. Auch die Entwaffnung der Milizen geht nur stockend voran. Und die Parteien sind gerade erst dabei, ihre Strukturen aufzubauen

AUS DELHI BERNARD IMHASLY

Der Termin für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Afghanistan ist zum zweiten Mal verschoben worden. Am Freitag verstrich die 90-tägige Frist, welche die Durchführung im September möglich gemacht hätte. Sowohl Faruk Wardak von der nationalen Wahlkommission wie der Sprecher der UNO in Kabul begründeten diese Verschiebung mit der zunehmenden Unsicherheit im Land, die die Registrierung der Wähler verzögere. Gemäß dem Bonner Abkommen hätten beide Wahlgänge im Juni stattfinden sollen.

Die Registrierung hat mit rund 5,2 Millionen Menschen inzwischen die Hälfte aller Wahlberechtigten erreicht. Das stellt, wie Präsident Hamid Karsai kürzlich bei der Nato-Tagung in Istanbul erklärte, zweifellos eine enorme Leistung dar, denn sie findet vor dem Hintergrund eines immer dreisteren Auftretens der Taliban statt. Diese haben in den letzten Wochen und Tagen ihre Angriffe auf zivile Ziele erhöht. Es ist allerdings unklar, wie viele Überfälle und Entführungen auf ihr Konto gehen und wie viele auf das von lokalen Warlords und Wegelagerern. Wardak erklärte, dass die Entwaffnung der Milizen nur stockend vorankomme und ebenfalls einen Grund für die Verschiebung der Wahlen darstelle.

Allerdings beteuerten alle Beteiligten, dass es sich bei der Verschiebung nur um Tage oder Wochen handeln dürfte. Im November beginnt der Fastenmonat, und dann setzt der harte Winter ein, der eine Wahl vor dem nächsten Frühjahr ausschließen würde. Das würde jedoch die Legitimität Karsais weiter unterhöhlen, hätte er doch bereits Ende Juni das Amt an seinen Nachfolger übergeben müssen.

Auch wenn er wiedergewählt werden dürfte, erinnern diese Verschiebungen viele Afghanen an die Zustände in den frühen Neunzigerjahren. Damals erneuerte der damalige Präsident Burhanuddin Rabbani seine sechsmonatige Amtszeit immer wieder und verweigerte seinen Rücktritt. Dies war einer der Gründe für den Ausbruch des Bürgerkriegs unter den Mudschaheddin-Faktionen, der schließlich die Taliban ins Land und an die Macht brachte. Das amerikanische Interesse an einem Wahltermin spätestens im Oktober wird mit den Präsidentschaftswahlen im November in Verbindung gebracht. US-Präsident George Bush könnte einen afghanischen Urnengang als Erfolg verbuchen.

Vereinzelt tauchen nun Spekulationen auf, wonach im Oktober nur die Präsidentschaftswahl durchgeführt werden soll und die Parlamentswahl verschoben wird. Erstere ist logistisch viel einfacher, da viel weniger Kandidaten auf militärischen Schutz angewiesen wären, den die afghanische Armee und Polizei landesweit nicht leisten können. Das zwiespältige Afghanistan-Bekenntnis der Nato – eine Verstärkung der Internationalen Sicherheitstruppe vor Ort von lediglich 1.500 Mann, mit 2.000 im sicheren Ausland in Einsatzbereitschaft – könnte eine Entscheidung in diesem Sinn beschleunigen. Sie würde auch von den Parteien befürwortet, deren Kandidaten die erste Zielscheibe für Attentate von Taliban und lokalen Warlords darstellen werden. Die Parteien haben zudem gerade erst mit dem Aufbau organisatorischer Strukturen begonnen. Sie sind kaum in der Lage, einen einigermaßen glaubwürdigen Wahlkampf durchzuführen.