Die Milchkännchen meiner Mutter

‚Bad taste‘ mit Rosenduft: Im Wilhelm-Wagenfeld-Haus zeigen Bremer Jäger und Sammler skurrile Kollektionen

„Das haben auch Designer gemacht! Geschmackskontrollebrauchen wir nicht“

Der erste Eindruck ist atemberaubend: Grottenhässliche kleine Geschöpfe der Gattung Gummitier oder Radiergummi starren aus den Glasvitrinen. Da gibt es einfältig grinsende Kleinkinder, abgeschnittene Gummi-Zeigefinger, täuschend echt nachgemachte Plastik-Schokoriegel und Mini-Hamburger aus Plaste in Quietschgelb, Laubfroschgrün, Neon-Orange und Grellblau. Hätten Farben einen charakteristischen Duft, wäre das Wilhelm Wagenfeld Haus jetzt voller Maiglöckchenduft: betäubend, süß und schwer.

Doch die neue Ausstellung „meins. Suchen. Sammeln. Leidenschaft“ von Sammlungen skurriler Objekte duftet nur ganz dezent nach Rose. „Wir fanden, dieser Duft passt gut zu Herrn Kruses Sammlung von rosengeschmückten Ansichtskarten“, strahlt Projektleiterin Dagmar Hilbert. Die wollte für die Sommersaison eine „Ausstellung über Alltagskultur ohne hohen intellektuellen Anspruch“ konzipieren, die auch Kinder interessiert.

Elf Bremer und Bremerinnen zeigen nun ab Sonntag ihre Kollektionen von Kronkorken, Backformen, Aufziehfiguren oder auch Fahrradschutzblechschildern.

Den Grundstein für die oft sehr umfangreichen Sammlungen legten viele Sammler in ihrer Kindheit oder Jugend: Gerhard Schreve-Liedtke begann mit dem Sammeln von Zigarrenkisten-Deckelbildchen, „weil die in der Werkstatt von meinem Großvater, einem Zigarrenmacher, ’rumlagen.“ Schreve-Liedtke besitzt heute 15.000 der teilweise sehr aufwändig in Steindruck realisierten Zigarren-Etiketten: Pfauen, Libellen, Adler, Männer mit Jagdbeute im Rucksack, hübsche, diskret Zigarre paffende Brünette sind einige der Motive. Hatte er nie Lust, sich den ganzen Krempel vom Hals zu schaffen? „Schon, bei meinen Umzügen!“ Er lacht.

Sigrid Kruse dagegen würde sich nie von ihrer Milchkännchen-Sammlung trennen. Als sie ein Kind war, musste die ganze Familie aus Schlesien flüchten. Die Mutter füllte zwei Milchkännchen mit Schmalz und hängte den Kindern Beutel mit Salz um den Hals. „Wenn wir Fett und Salz haben, kommen wir schon irgendwie durch“, sagte die Mutter. Sigrid kam durch – und besitzt heute eine Sammlung von 180 Milchkännchen, darunter sehr edle aus berühmten Porzellanmanufakturen.

Einige sehr unedle Stücke birgt dagegen die Salz- und Pfefferstreuersammlung von Karin Schwarmann. Etwa zwei blaue Salz- und Pfefferkühe, auf deren Bauch der Kölner Dom abgebildet ist. Von schlechtem Geschmack lässt sich Ausstellungsmacherin Hilbert aber nicht ausbremsen: „Diese Sachen haben auch Designer gemacht! Wer wollte da den Geschmackskontrolleur spielen?“

Katharina Müller

Ausstellung ab Sonntag im Wilhelm Wagenfeld Haus