: Ein hartes Nordbrot
Alle machen zum Bundesligastart in Bescheidenheit – für drei der vier Nordclubs gilt das aber nicht. Rund um den HSV grassiert der Höhendrang, Hannover träumt auch und Wolfsburg sowieso
aus HamburgPETER AHRENS
Es wird wieder trockenes Brot gereicht. Die Rüschen, der Schnickschnack, das Rahmenprogramm – alles gestrichen, wenn die Fußball-Bundesliga jetzt wieder auf Kurs geht. Die Sportschau sendet, Werbeblocks und Transferetats sind eingedampft – die neue Bescheidenheit hat allerdings noch nicht alle der vier Nordclubs ereilt. Während in Bremen spätestens seit dem UI-Cup-Desaster vom Mittwoch die zu backenden Brötchen kleiner geworden sind, haben der Hamburger SV, der VfL Wolfsburg und Hannover 96 den Ehrgeiz im Augenwinkel blinken.
Der HSV ist Ligacup-Sieger, also wird er auch Deutscher Meister. So ungefähr kann man den derzeitigen Gesamtinhalt des Kopfes eines gemeinen HSV-Supporters zusammenfassen. Trainer Kurt Jara hat alle Hände voll zu tun, die Euphoriebremse so ausführlich zu drücken, dass es Funken schlägt. Aber wenn die Hamburger heute den Hannoveraner Ligakonkurrenten überzeugend schlagen sollten, dürfte das Bremsentreten gänzlich vergebliche Liebesmüh gewesen sein. Wer wird Deutscher Meister? Ha-Ha-Ha-Ha-Es und so weiter. Der Durchschnitts-ARD-Fernsehgucker tippt im Internet zu 33 Prozent einen 2:1-Sieg.
96-Trainer Ralf Rangnick wird diese Rollenverteilung wohl ganz lieb sein. In der Kanzlerstadt steigt die Sommerhitze angesichts der Neuzugänge Simak, Brdaric und Christiansen nämlich auch schon so manchem ins Hirn, was die Saisonerwartungen anbetrifft. Dass Hannover um die europäischen Ränge mitspielen kann, ist in der Landeshauptstadt ausgemachte Sache. Dass 96 seit 1965 in 14 Bundesligaspielzeiten nie über Rang neun hinausgekommen ist, wird dabei souverän ignoriert.
In Wolfsburg wird sowieso am Beginn jeden Jahres von neuem geträumt, und am Ende wird‘s doch wieder Rang elf. Der VfL hat in der Liga nahtlos die Rolle übernommen, die der Namensvetter und Auftaktgegner aus Bochum über Jahre so perfekt ausgefüllt hat. Immer wenn ein Vereinskassierer der Republik sichergehen will, dass sein Stadion zweimal im Jahr nicht ausverkauft ist, dann sind entweder Rostock oder Wolfsburg zu Gast, da mögen noch so viele Effenberge durch die Autostadt brettern. Auftakttipp bei ARD.de: VfL Nord – VfL West 2:1 zu 33 Prozent.
Und dann gibt‘s da noch den „I werd narrisch“-SV Werder aus Bremen. Übungsleiter Schaaf wird in diesem Jahr wohl noch maulfauler daherkommen als üblich, weil man Kommentare wie vom Mittwoch – „das war das Schlechteste, was ich seit langem gesehen habe“ – ja nicht beliebig oft wiederholen kann. Wenn Werder am Ende nicht als der schlechteste Nordclub in der Tabelle dasteht, wäre das eine Überraschung. Irgendwann hat Ailton gar keinen Bock mehr, und dann heißt es wahrhaft verdammt aufpassen, dass die Bremer die Saison 2004/05 nicht gegen Jahn Regensburg eröffnen.
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