Bangen um ein Bleiberecht

Auf der morgen in Kiel beginnenden Innenministerkonferenz wollen die Länder über Abschiebungen nach Afghanistan entscheiden. In einer Hamburger Beratungsstelle suchen verängstigte Flüchtlinge Hilfe. Abschiebegegner demonstrieren in Kiel

„Das vorgeschlagene Bleiberecht für Afghanen ist viel zu restriktiv und schließt zu viele aus“

aus HamburgEVA WEIKERT

Frozan Koshan erwartet den kommenden Donnerstag mit großer Furcht. Am Mittag dieses Tages will die Innenministerkonferenz (IMK) in Kiel ihre Entscheidung über einen Abschiebebeginn für Afghanistan-Flüchtlinge bekannt geben. Und weil Koshan in Deutschland kein festes Aufenthaltsrecht hat, droht die afghanische Frauenrechtlerin in das Land ihrer Verfolger verfrachtet zu werden. „Ich bin von dort geflohen“, so die 39-Jährige, „weil ich dort meines Lebens nicht sicher bin.“

Frozan Koshan ist vor dem morgen beginnenden Ministertreffen in die Hamburger Königstraße 54 gekommen, wo das „Netzwerk Afghanistan Info“ Flüchtlingsberatung macht. „Vor der IMK kommen die Leute in Scharen, sie treibt ein Riesendruck zu uns“, so Ilse Schwartz, Sprecherin des Hamburger Netzwerks. Hatte sich doch der Stadtstaat, wo bundesweit die meisten Afghanen leben, noch auf der IMK im November als einziges Bundesland den Beginn systematischer Abschiebungen vorbehalten. Zugleich stoppte die Hansestadt die Erteilung der etwas sichereren Aufenthaltsbefugnis. „Viele Afghanen bekommen sogar nur noch einwöchige Duldungen“, so Ilse Schwartz.

Einigen sich die Ressortchefs morgen auf die von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) sowie Hamburg und den anderen CDU-Ländern verfochtene Aufhebung des Abschiebestopps in das kriegszerstörte Land, dann müssten ab dem 31. Juli rund 6.500 von den 17.000 in Hamburg lebenden Afghanen aus dem Land. Frozan Koshan, ihr Mann und die beiden Söhne wären unter ihnen. Dabei steht die Frauenrechtlerin nach eigenen Angaben auf einer Todesliste der radikal-islamistischen Taliban, welche immer noch Teile des Landes beherrschen. Auch ihr Mann Ayatollah fürchte die Taliban-Milizen. In Folge regimekritischer Äußerungen habe er zeitweise in deren Gefängnissen gesessen, berichtet Frozan Koshan.

Wegen der „schlechten Menschenrechts- und Sicherheitslage“ lehnt denn auch das UN-Flüchtlingskommissariat Abschiebungen nach Afghanistan strikt ab und verweist auf das Auswärtige Amt, demnach sich die Gefahrenlage dort weiter erhöht hat. „Meine Söhne“, sagt Frozan Koshan, „denken nur mit Schrecken an Afghanistan.“

Dass Familie Koshan trotz solcher Verfolgung nach ihrer Flucht vor vier Jahren hier kein Asyl fand, liegt in der deutschen Rechtsprechung begründet. Weil der Gesetzgeber bis Ende 2000 die Taliban nicht als Regierung anerkannte, gab es in seinen Augen auch keine staatliche Verfolgung in dem Bürgerkriegsland – und somit keinen Asylgrund für die von dort Flüchtenden.

Nach einem Gerichtsurteil, das eine „quasistaatliche Verfolgung“ konstatierte, setzte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge Mitte 2001 seine Entscheidungen über Asylanträge von Afghanen einfach aus. Allein in Hamburg sind darum Schätzungen zufolge fast die Hälfte der 17.000 hier lebenden Afghanen seit vielen Jahren nur geduldet und können jederzeit abgeschoben werden.

Einem Teil der Geduldeten könnte jetzt ein Bleiberecht helfen, für das Schleswig-Holstein auf der IMK werben will. Demnach sollen aber nur jene bleiben dürfen, die schon sechs Jahre hier sind und zudem einen festen Job haben. „Die Regelung ist sehr restriktiv“, warnt Martin Link von der Hamburger Diakonie. „Sie schließt zu viele aus.“ Gleichwohl appelliert das Diakonische Werk an die Länder, dem schleswig-holsteinischen Vorschlag zu folgen. Link: „Jede Regelung ist besser als keine.“

Der Familie Koshan würde dieses Bleiberecht gar nichts nützen, da sie erst vier Jahre hier ist und der Vater wegen seines Duldungsstatus‘ nur Aushilfsjobs machen darf.

Flüchtlingshelfer rufen zur Demo gegen Abschiebungen nach Afghanistan auf. Auftakt morgen, 13 Uhr am Dreiecksplatz in Kiel