Klimaschutz notfalls ohne Bush

Weil die Regierung in Washington weiterhin nicht an einen Klimawandel glaubt, ergreifen einige Bundesstaaten in den USA jetzt selbst die Initiative. Sie planen eigene Reduktionsziele für den Kohlendioxidausstoß und einen Emissionshandel

aus Washington MICHAEL STRECK

Unzufrieden mit der Blockadehaltung der US-Regierung beim Klimaschutz wollen elf amerikanische Bundesstaaten die Reduktion von Treibhausgasen in die eigenen Hände nehmen. Sie beabsichtigen eigene Reduktionsziele und Obergrenzen für den Kohlendioxidausstoß aus Kraftwerken festzulegen. Ihr Plan sieht zudem vor, ein Emissionshandelssystem aufzubauen. Hierbei können Unternehmen, die die geforderten Umweltstandards noch nicht erfüllen, Verschmutzungsrechte „sauberer“ Kraftwerksbetreiber erwerben.

Die Initiative ist eine offene Kampfansage an US-Präsident George W. Bush, der vor wenigen Tagen erneut klar machte, dass er noch mehr wissenschaftliche Beweise wünsche, um an den Klimawandel zu glauben. Sie dürfte diese Woche zudem die Debatte im US-Senat zur Energiepolitik beleben. Denn der republikanische Querkopf John McCain, Bush-Kontrahent im Wahlkampf 2000, und Joseph Lieberman, demokratischer Präsidentschaftskandidat für 2004, wollen einen Gesetzesvorschlag zum Klimaschutz einzubringen, der dem Staatenprojekt weitgehend ähnelt. Höchst unwahrscheinlich, dass der Vorschlag eine Mehrheit findet, da die meisten Republikaner ihn als Hintertür zum Kioto-Protokoll angesehen.

Beim Thema Klimaschutz betreibt die US-Regierung seit Bushs Amtsantritt ein absurdes Theater. Obwohl die Erderwärmung in Wissenschaftskreisen allgemein anerkannt ist, auch die US-Umweltbehörde bestätigt diesen Trend, leugnet Bush diese Tatsache stoisch. Er behauptet jedoch gleichzeitig, sollte sich das Klima dennoch ändern, seien die Konsequenzen längst nicht so dramatisch wie Forscher und Umweltschützer prophezeien. Selbst eine konservative Zeitung wie die Washington Post macht sich mittlerweile über Bushs Klimapolitik lustig. „Hier ein Rätsel: Wann ist eine wissenschaftliche Erkenntnis keine wissenschaftliche Erkenntnis? Wenn es sich um den Fakt Klimawandel handelt.“

Die Staateninitiative ist beispielhaft dafür, dass Bushs rückwärtsgewandte Umweltpolitik kein Aushängeschild für ganz Amerika ist. Doch kann sie mehr sein als ein symbolischer Akt der Frustration und tatsächlich funktionieren? Kritiker bezweifeln dies. Ihr Hauptargument: Sollte die Regulierung zu stark ausfallen, würden Industrien und Arbeitsplätze schlichtweg in andere Bundesstaaten mit geringeren Emissionsstandards abwandern. Durch den zu erwartenden Schaden für die regionale Wirtschaft dürfte die Akzeptanz in der Bevölkerung gering sein.

Befürworter glauben jedoch, dass der von beiden Parteien getragene Plan eine nationale Signalwirkung haben könnte. Immerhin handelt es sich um eine der wichtigsten zusammenhängenden Industrieregionen der USA mit Pennsylvania, New York, New Jersey, Delaware und allen Neuengland-Staaten, in den rund 20 Prozent der US-Bevölkerung leben. Sollten sich weitere Staaten anschließen, ließe sich eine landesweite Emissionsreduktion unter Umgehung einer einheitlichen bundesstaatlichen Regelung erreichen. Sicher wäre ein nationales Klimaschutzprogramm effektiver, doch die Politik der Bundesstaaten habe zweifelsohne Einfluss auf die Entscheidungsträger in Kongress und US-Regierung, sagt der frühere Wirtschaftsberater von Bill Clinton, Andy Keeler. „Der Druck wird größer.“

Dass die Vorreiterrolle letzlich erfolgreich sein kann, zeigte wiederholt Kalifornien. Gegen den Widerstand der Industrie führte der Westküstenstaat in den 70er-Jahren zuerst den Katalysator, dann bleifreies Benzin ein und verabschiedete 2002 ein richtungweisendes Gesetz, das allen neu zugelassenen Autos ab 2009 strenge Emissionsstandards für Kohlendioxid vorschreibt. Mehrere US-Bundesstaaten haben bereits angekündigt, dieses Gesetz übernehmen zu wollen.

Obwohl Kalifornien das Gegenteil beweist, predigt die Bush-Regierung unaufhöhrlich ihr Mantra, dass Klimaschutz die wirtschaftliche Entwicklung gefährdet. Diese Haltung sei ideologisch verbohrt, wie das Beispiel Großbritannien zeige, sagt Bradley Campell von der Umweltbehörde in New Jersey. Dort war das letzte Jahrzehnt geprägt von einem kontinuierlichen Rückgang an Kohlendioxid-Emissionen bei gleichzeitigem Wirtschaftswachstum. „Es ist ein Irrtum zu glauben, wir müssen zwischen dem einen oder anderen wählen.“