Startgenehmigung für Gen-Pollen

Renate Künasts Gentechnik-Entwurf sieht strenge Haftungsregeln für Landwirte vor, die gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen. Nicht nur der Opposition geht das zu weit: Auch in SPD-geführten Ministerien regt sich der Widerstand

aus Berlin BERND MIKOSCH

Es ist wie immer: Kaum werden erste Eckpunkte des neuen Gentechnik-Gesetzes bekannt, wird der Entwurf bereits verrissen. Zum Beispiel von der CDU, die ein „Gentechnik-Verhinderungsgesetz“ sieht. Alarmierend ist indes, dass auch das SPD-geführte Bundeswirtschafts- und das Bundesforschungsministerium zu harte Auflagen für gentechnisch veränderte Pflanzen sehen.

Renate Künast (Grüne) möchte Öko- und konventionelle Bauern mit strengen Regeln vor Verunreinigungen ihrer Felder durch Gen-Pollen schützen. Mit dem Gentechnik-Gesetz werden die vergangene Woche verabschiedeten EU-Leitlinien umgesetzt, die eine unkontrollierte Ausbreitung der Genpflanzen durch Abstandsflächen und Schutzhecken unterbinden sollen. Außerdem ist geplant, Gen-Felder in öffentlichen Standortregistern auszuweisen. Wie Haftungsfragen geregelt werden, ließ die EU allerdings offen – hier greifen nationale Regelungen.

Geht es nach Künasts Eckpunkten, wird das Verursacherprinzip strikt umgesetzt: Im Zweifelsfall haften die Gen-Anbauer. Ökobauern sollen sie auf Schadenersatz verklagen können, wenn ihre Ernte unverkäuflich ist, weil Gen-Pollen auf den Feldern gefunden wurden. Die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie dagegen meint, die bestehende privatrechtliche Haftung reiche aus. „Spezielle Vorschriften für Gentechnik brauchen wir nicht“, sagte Geschäftsführer Ricardo Gent.

Greenpeace sieht das anders – selbst strengste Haftungsregeln reichen der Umweltorganisation nicht aus: „Der Schutz muss viel früher beginnen“, betonte Gentechnik-Experte Henning Strodthoff. Bauern sollten zehn Wochen vor der Aussaat ankündigen, auf welchen Flurstücken sie Genpflanzen anbauen möchten. „Dann haben betroffene Landwirte oder Bürger die Möglichkeit, darauf zu reagieren.“ Sind die Gen-Pollen erst mal auf dem Ökofeld, sei es bereits zu spät. „Auseinandersetzungen vor Gericht dürfen nicht zum Regelfall werden“, so Strodthoff. In diesem Punkt ist sich Greenpeace ausnahmsweise mit dem Deutschen Bauernverband (DBV) einig. „Dauernde Rechtsstreitigkeiten wären ein Horrorszenario“, sagte ein Sprecher.

„Ministerin Künast muss sich daran messen lassen, ob ihr Vorschlag dem Koalitionsvertrag entspricht“, so Strodthoff weiter. Die jetzt vorgelegten Eckpunkte seien eigentlich eine „Selbstverständlichkeit“, schließlich verspreche der Koalitionsvertrag, gentechnikfreie Landwirtschaft zu schützen. Helmut Heiderich, Gentechnik-Beauftragter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, beklagt dagegen die „bürokratischen Hürden“, die in Künasts Papier genannt werden: So sei zum Beispiel geplant, dass in ökologisch sensiblen Gebieten die örtliche Naturschutzbehörde einem Genpflanzen-Anbau zustimmen müsse. Außerdem seien mögliche Zukunftsrisiken für die biologische Vielfalt zu benennen. Heiderich: „Mit solchen Regeln lässt sich immer was finden, um den Anbau zu verhindern.“

Im Verbraucherschutzministerium wundert man sich darüber, dass die CDU bereits über Einzelheiten informiert ist: „Der Entwurf ist zwar weit gediehen, aber noch nicht fertig. Details wurden noch gar nicht veröffentlicht.“ Weil Künasts Papier noch auf Referentenebene in den Ressorts abgestimmt wird, bestätigen weder Wirtschaftsministerium (BMWA) noch Forschungsministerium (BMBF) ihre ablehnende Haltung offiziell. Allerdings gilt grüne Gentechnik im BMWA als „Schlüsseltechnologie“, im BMBF wird sie „aus guten Gründen finanziell gefördert“, so ein Sprecher.