hamburger szene
: Verliebte am Laternenpfahl

Sonntag morgens Brötchen zu holen ist eigentlich ganz banal. Auch wenn der Hamburger Himmel mal wieder grau und die Luft überdurchschnittlich feucht ist, mache ich mich auf den Weg zum Bäcker, gefühlt trage ich noch immer meinen Schlafanzug.

Die Fassaden der Häuser kenne ich ziemlich gut. Inzwischen muss ich nicht mal mehr genau hinsehen, um zu wissen auf welcher Höhe der Straße ich mich gerade befinde. Am dritten Laternenpfahl meiner Strecke hängt einer dieser Zettel, die ich gerne lese: „Biete Nebeneinkommen bis 2.500 Euro – von zuhause aus“ oder „Salsa-Unterricht für Anfänger“ steht dann da zum Beispiel. Darunter immer kleine Abreißfetzen mit Telefonnummer und Namen.

Heute steht da ganz fett: „Ich habe mich verliebt“. In mir geht die Sonne auf: Wie schön das doch ist! Verliebt zu sein, davon träumen, mit dem oder der Angebeteten zusammen zu sein! Und was für ein rührender Einsatz, so einen Zettel auszuhängen. Allein in der Hoffnung der Traumpartner möge diesen lesen und dann auch noch bei der Schmetterlinge-im-Bauch-Person anrufen! Wann war ich eigentlich das letzte Mal verliebt? Meint die vielleicht mich?

Die Brötchen in der Tasche und zügigen Schrittes lese ich auf meinem Rückweg den restlichen Aushang. Unten drunter steht hauchdünn „in diesen Stadtteil“ – eine Wohnungssuchanzeige. Was sind diese Materialisten doch romantisch. CHRISTOPHER OST