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Kunst für Ruhrzukunft

Die Austellung Ruhrtopia in Oberhausen soll Visionen für die Zukunft des Ruhrgebiets zeigen und den Pott in ein besseres Zeitalter führen

AUS DÜSSELDORF ELMAR KOK

Hans Frey kennt sich aus mit Utopien – schreibt der Gelsenkirchener SPD-Landtagsabgeordnete doch in seiner Freizeit Science-Fiction Romane. Jetzt hat der Sozialdemokrat eine seiner Ideen in abgewandelter Form in die Gegenwart geholt, zu sehen ab Freitag dieser Woche in der Galerie Ludwig im Schloss Oberhausen. „Ruhrtopia“, eine Ausstellung von Künstlern aus dem Ruhrgebiet, soll nach Angaben der Initiatoren Burkhard Drescher, SPD-Oberbürgermeister von Oberhausen, Franz Lehner, Präsident des Instituts für Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen und eben Hans Frey die Region aus ihrer Lethargie reißen.

Dafür müsse etwas geschaffen werden, das neben der Vernunft auch die anderen Sinne umfasst, sagte Frey gestern bei der Ankündigung der Ausstellung im Düsseldorfer Landtag. So wichtig die Ausstellung der Industriekultur gewesen sei, sie habe den Blick in die Vergangenheit manifestiert, jetzt gelte es, den Blick nach vorne zu richten, sagte Frey. Das hätten die Künstler, die im wesentlichen Auftragnehmer seien, „in Zusammenarbeit mit innovativen Firmen“ positiv umgesetzt. So ist zu erklären, dass auf dem Ausstellungsbild „DUM DUM Lippstick“ ein in Öl auf Leinwand gebannter Barbara-Schöneberger-Dummy Lippenstifte verschießt.

Ausschlaggebend für Burkhard Drescher, die Ausstellung in die Stadt Oberhausen zu holen, war seinen Angaben zufolge auch die wirtschaftliche Schwäche des Reviers, „dessen Arbeitslosenquote bei 14 Prozent liegt“, das niedrige Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, „das außerhalb des Reviers höher ist“ und dass im Ruhrgebiet endlich Entwicklungspotenziale freigesetzt werden sollten. Es werde weitere Aktivitäten in diese Richtung geben, „ergänzend zur Triennale“.

Franz Lehner, Präsident des Veranstalters der Ausstellung, des IAT, outete sich gestern in erster Linie als Fan des Ruhrgebiets. Er, der ja Schweizer sei, halte es seit 23 Jahren erfolgreich im Ruhrgebiet aus und sei gerne hier geblieben, „trotz Angeboten aus den USA und Berlin“. Die negativ erlebten Eckpunkte des Reviers sollten positiv umgesetzt werden, wie seinerzeit die Umweltverschmutzung zur prosperierenden Umweltindustrie geführt habe. Das Verkehrsproblem müsse angenommen werden, um Verkehrstechnologie zu entwickeln, die Überalterung des Reviers sollte eine prosperierende Gesundheitswirtschaft hervorbringen, sagte Lehner. Lehners Fazit zur Ausstellung: „Die Zukunft ist erotisch.“

Trotz aller rosigen Utopie wagen die drei Akteure auch einen Blick zurück. Zur Castorf-Entlassung als Intendant der Ruhrfestspiele sagte OB Drescher: „Man hätte ruhig ein wenig Ausdauer beweisen können.“ Lehner stimmte ihm gestern zu, man hätte Castorf nochmal Zeit geben können, allerdings wäre es auch gut gewesen, die Leute irgendwo abzuholen. „Ich finde beispielsweise das Schalke-Musical ganz fantastisch.“

Dass die Ausstellung nicht in Gelsenkirchen stattfindet, der Heimat von CDU-Oberbürgermeister Oliver Wittke, dem Sitz des IAT und des Landtagswahlkreises von Frey, liege daran, dass dort die Leute „etwas kleinkariert in der Stadtspitze“ seien, wie Frey sagt. Mit den Kommunalwahlen habe das ganze nur am Rande zu tun, behauptet Frey. Lehner sagte über die Sponsorverhandlungen: „Wir haben uns bei der Sparkasse Gelsenkirchen fast den Mund fusselig geredet.“ Dass die 100.000-Euro-Ausstellung nicht von großen Sponsoren getragen werde, liege daran, dass die großen Unternehmen gesagt hätten: „Ihr könnt Künstler nicht instrumentalisieren“, sagt Lehner. Dass dies dennoch gelungen ist, ist ab Samstag in Oberhausen zu sehen.

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