Suche nach den Urtierchen

Forscher des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts entdecken bei Bohrungen auf Grönland erstmals Wasser zwischen Fels und Eis. Jetzt suchen sie nach Leben darin

Bremen taz ■ Grönland: Forscher machen sich auf, Löcher zu bohren ins ewige Eis. Sie kehren zurück mit Eiskernen, aus denen sie herlauslesen können, welches Klima auf der Erde vor Jahrtausenden herrschte. Nichts anderes hatten auch die Forscher des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts (AWI) vor, als sie 1996 unter anderem zusammen mit Kollegen des dänischen Niels-Bohr-Instituts auf dem Grönland-Eis ihre Geräte in Stellung brachten. Das tiefste Loch des Eskimo-Eilands sollte es werden, jahrelang fraßen sich die Bohrköpfe dafür durch das Eis – bis zum felsigen Untergrund der Insel. Mitte Juli dann die Überraschung: Zwischen grönländischem Eis und Fels stießen die Forscher auf – Wasser.

Das hatte dort noch niemand entdeckt. Wo aber Wasser ist, vermuten die Forscher, da müsste es auch Leben geben. In diesem Fall uraltes Leben. Eigentlich hätte das Forschungsprojekt in diesem Jahr abgeschlossen werden sollen. Wegen des Wasserfundes wird es jetzt verlängert. Nächsten Sommer werden die AWI-Forscher das Wasser nach Kleinstlebewesen durchsuchen, die dort vielleicht seit Urzeiten überlebt haben. „Es besteht die große Möglichkeit, dass wir die dort finden“, sagt Geophysiker Heinrich Miller, stellvertretender Leiter des AWI.

3.085 Meter schon steckte der Bohrer der Forscher an jenem 17. Juli im Eis, als plötzlich Wasser in das Bohrloch schoss. Beim Herausziehen des Bohrers war es bereits wieder zu einem braune, harten Klumpen gefroren. Der Boden dort unten birgt Schlamm, Sand und Sedimente, die Spuren von Uraltlebewesen nachweisen können. „Vielleicht sogar bis zu einer Million Jahre zurück“, schätzt Miller.

Angekündigt hatte sich die Entdeckung bereits im Sommer 2000: Je tiefer der Bohrer ins Eis drang, desto wärmer wurde dieses. Zeigte das Thermometer an der Eisoberfläche noch minus 30 Grad Celsius, herrschten in 2.900 Metern Tiefe schon vergleichweise gemütliche minus acht Grad. Kurz vor dem steinernen Untergrund war es nochmal fünf Grad wärmer, unmittelbar über dem Fels begann das Eis dann zu schmelzen.

Eine mögliche Erklärung dafür: Die Restwärme des hotspot, über dem die Vulkaninsel Island liegt. Geschmolzenes Gestein aus dem Erdinnern reicht hier bis an die Oberfläche.

Bis nächstes Jahr die Suche nach den Urtierchen beginnt, widmen sich die Forscher im Kopenhagener Niels-Bohr-Institut dem kilometerlangen Eisbohrkern. Sie sollen die längste lückenlose Aufzeichnung grönländischer Klimadaten liefern. Erste Proben im Insel-Labor bestätigten bereits den raschen Klimawandel, den die Forscher aufgrund früherer Bohrungen vermuteten. Mindestens 15 Mal, sagt Miller, sei in den letzten 120.000 Jahren die globale Durchschnittstemperatur innerhalb von nur 20 Jahren um zehn Grad angestiegen. Aletta Rochau

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