fußpflege unter der grasnarbe
: Allein im Wald mit Thomas Doll

Mit Wolfgang Rolff fing alles an. Ich war zehn, als der Profi des Hamburger SV zwei Häuser weiter einzog und mein Nachbar wurde. Von nun an lag ich oft stundenlang auf der Lauer und wartete, dass Rolff vom Training nach Hause kam. Manchmal sah ich ihn, wenn er mit geschulterter Sporttasche vom Auto ins Haus ging. Sie glauben gar nicht, wie aufregend das war. Ihn anzusprechen, traute ich mich nie. Ein Bundesligaspieler war damals wie Gott für mich. Einmal jedoch, als ich sicher sein konnte, dass er nicht da war – der HSV spielte auswärts –, klingelte ich. Frau Rolff gab mir eine handsignierte Autogrammkarte. Stolz zeigte ich sie überall. Auch als Jahre später Miroslaw Okonski, Mittelfeldregisseur des HSV, in das Haus der Rolffs eingezogen war, änderte sich nichts. Nie redete ich auch nur ein Wort mit ihm. Bei meinen Freunden gab ich trotzdem jede Woche damit an, dass Okonski wieder mit mir gesprochen hatte. Ich glaube, er sprach nur polnisch.

Obwohl ich nie Fan des HSV gewesen bin, ist die Bilanz meiner Begegnungen mit Spielern des Vereins beeindruckend. Thomas von Heesen traf ich an einer Tankstelle, Uwe Seeler auf der Toilette eines Restaurants und zweimal Manfred Kaltz im Schwimmbad. Mitte der 90er lief mir die ganze Mannschaft im Wald über den Weg. Mit Tobias Homp spielte ich zwei Jahre in einer Elf. Und auch Ditmar Jakobs hielt mal mit seinem Auto neben mir an einer Ampel. Als es Grün wurde, gab ich ordentlich Gas und ließ ihn locker hinter mir. Gewonnen, dachte ich. 200 Meter weiter blitzte es. Meine Siegprämie: drei Punkte und einen Monat ohne Führerschein.

Vor ein paar Wochen rammte ich mit meinem Einkaufswagen in einem Supermarkt in Wyk auf Föhr beinahe HSV-Urmasseur Hermann Rieger. Und als ich vergangenen Montag durch den Quickborner Wald joggte, kam mir ein Mann mit Hund entgegen. Ich erkannte ihn schon von weitem: Thomas Doll, Ex-Profi des – raten Sie mal – HSV und heute Trainer der Amateure. Als der Hund mich neugierig ansprang, hätte ich allen Grund für ein Gespräch gehabt. „Auch schon so früh unterwegs?“ Oder: „Beißt der?“ Doll rief noch etwas wie: „Komm, hopp!“ Sicher meinte er nicht mich. Ich sagte kein Wort. Kennen Sie das Gefühl, wenn man einem Fußballer zufällig im Wald begegnet, gerne mal plaudern würde, dann aber nicht weiß, was man sagen soll? Man möchte ja nicht einer von vielen sein und über Fußball reden.

Vor zwei Tagen spielte Doll mit den HSV-Amateuren beim VfR Neumünster. Ein langweiliger Regionalligakick. Die Hamburger gewannen 1:0. Den ganzen Nachmittag musste sich der 37-Jährige Sprüche des Publikums anhören. „Hey Doll, das war aber nicht so doll!“ Oder: „Klasse Thomas, Superspiel!“ Ich kann mir vorstellen, dass Doll gerne im Wald ist. Wenn ich ihn das nächste Mal treffe, werde ich vielleicht kurz grüßen. Die Privatsphäre sollte man ihm lassen. Wie wohl sein Hund heißt?