Die Preise verderben den Mann

Erst nach der Kolonialzeit wurde es normal, eine Frau zu kaufen und damit uneingeschränkt über sie verfügen zu können

AUS KAMPALA RITA SCHÄFER

Anna Amweno, Bäuerin und Mutter von vier Kindern, wurde von ihrem Ehemann so schwer geschlagen, dass sie zwei Monate im Krankenhaus bleiben musste. Er ging mit einer Hacke auf sie los und zerschnitt ihr Gesicht und den gesamten Oberkörper. Dann zertrümmerte er Möbelstücke auf ihrem Kopf und verletzte sie so schwer, dass sie erst nach zwei Wochen aus dem Koma erwachte. Über die sexuelle Gewalt schweigt sie.

Noch immer hat sie Orientierungsprobleme und ist schwer traumatisiert. Ihr Mann, der zunächst festgenommen worden war, ist wieder auf freiem Fuß. Er berief sich darauf, dass er als Ehemann ein Recht habe, seine Frau zu „disziplinieren“. Schließlich habe er bei der Heirat einen Brautpreis für sie gezahlt. Daher seien die Prügel seine Privatsache. Das fanden auch Polizei und Justiz.

Dieser Fall ereignete sich 1999 im Dorf Akworot im Osten Ugandas. Die Juristin Atuki Turner gründete daraufhin die erste Anlaufstelle für geschlagene Frauen im ländlichen Uganda, initiierte ein Rechtsberatungsprojekt und mobilisierte die Bevölkerung in der ostugandischen Provinz Tororo für ein Netzwerk gegen häusliche Gewalt. „Für mich waren die Fälle von schwerer Körperverletzung ausschlaggebend“, erzählt sie. „Viele der Opfer sind ihr ganzes Leben körperlich geschädigt und traumatisiert. Und das alles nur, weil die Männer einen Brautpreis gezahlt haben und die absolute Verfügungsgewalt über ihre Frauen beanspruchen.“

Das Feel Free Network gegen geschlechtsspezifische Gewalt sieht im Brautpreis ein Unterdrückungsinstrument, in seiner Abschaffung einen Weg zur Gleichberechtigung der Frau. Der Brautpreis ist eine traditionelle Einrichtung, doch paradoxerweise hat ihn gerade die gesellschaftliche Modernisierung verfestigt. Atuki Turner erklärt: „In vorkolonialer Zeit besiegelten symbolische Geschenke der Familie des Bräutigams an die Brauteltern eine Eheschließung. Heute sind Brautpreisforderungen zum Machtinstrument alter, einflussreicher Männer geworden. Das ursprüngliche Konzept der Allianzbildung zwischen Familienverbänden ist der individuellen Bereicherung gewichen.“

Ein Grund dafür liegt in der Kolonialzeit. Die britischen Kolonialherren in Uganda erklärten alle Formen des Gütertransfers bei der Eheschließung zum Brautpreis, auch wenn diese gar keinen „Kauf“ beinhalteten, sondern einfach ein Geschenk an die Brauteltern, das nur den Rechtsanspruch des Ehemannes gegenüber den Brauteltern auf die in einer Ehe geborenen Kinder manifestierte. Statt Kühen wurde Geld gezahlt. Mancherorts legten die Kolonialbeamten sogar den Betrag fest.

Nach der Kolonialzeit gewann dieses neue System an Eigendynamik. Es wurde normal, eine Frau zu kaufen und uneingeschränkt über sie verfügen zu können. Fatal wird die Situation dadurch, dass immer mehr Frauen in Afrika heute ihre Familien eigenständig versorgen müssen. Denn immer mehr Männer kommen kaum noch ihren familiären Pflichten nach. Die Ausbreitung von Aids, die viele Frauen zu Witwen macht, trägt dazu bei.

„Häusliche Gewalt ist eine direkte Folge der Brautpreiszahlungen“, meint Turner. „Scheidungen sind nahezu unmöglich, weil der Brautpreis dann zurückgezahlt werden müsste, was aber unrealistisch ist, da das Geld längst verbraucht ist. Uganda hat eine der weltweit höchsten Raten an ehelicher Gewalt. Mindestens jede vierte Frau wird regelmäßig geschlagen und gedemütigt. Das ist durch die patriarchalen Strukturen und die jüngere, leidvolle Geschichte unseres Landes bedingt und somit ein massives gesellschaftliches Problem.“

Allerdings sind nicht nur Frauen Opfer. Schon während der Kolonialzeit mussten junge Männer als Wanderarbeiter schuften, bevor sie heiraten konnten, um das Geld für den Brautpreis zu verdienen. Auch heute sind viele junge Ehemänner bereits am Hochzeitstag hoffnungslos verschuldet.

Nirgends in Afrika gibt es Gesetze, die Brautpreiszahlungen verbieten. Vielmehr erklären traditionelle Autoritäten die Praxis des Brautpreises zum Inbegriff afrikanischer Tradition. Damit wurde Atuki Turner schon ganz persönlich konfrontiert. Als das „Mifumi-Projekt“, Initiator des Feel Free Networks, 2001 in Tororo ein Referendum gegen Brautpreiszahlungen organisierte, wurden die Aktivistinnen mit Brandanschlägen und Vergiftung bedroht. Die Mifumi-Mitarbeiterinnen gingen in die Offensive, indem sie gewählte Kommunalpolitiker als Partner gegen die Chiefs gewannen. Das Referendum wurde ein Erfolg: Die Mehrheit stimmte in Tororo schließlich dafür, dass bei einer Heirat künftig nur noch kleine Geschenke gegeben werden sollen, ohne Recht auf Rückforderung – ein für Afrika einmaliger Erfolg.

Seitdem hat das Mifumi-Projekt eine Anlaufstelle für geschlagene Frauen eingerichtet und Trainingskurse für Polizisten durchgeführt, um Opfern häuslicher Gewalt Hilfe leisten zu können. „Wir müssen Jugendliche, Kirchenvertreter, Politiker und Chiefs zum Umdenken bringen“, sagt Atuki Turner. „Denn die Rechtlosigkeit von Frauen ist kein privates Problem. Armut und massive soziale Ungleichheiten sind die Folgen.“

Die Erfolge des Mifumi-Projekts wurden Anfang des Jahres auf einer internationalen Konferenz an der Makerere-Universität in Ugandas Hauptstadt Kampala, der führenden Universität Ostafrikas, thematisiert. Soziologin Sylvia Tamale, Leiterin des Instituts für Geschlechterforschung in Makerere, teilt die Auffassung des Mifumi-Projekts: „Wir brauchen einen neuen Rechtsrahmen zum Schutz der Frauen.“ Es ist das Verdienst der Lobbyarbeit ugandischer Frauenorganisationen, dass im ugandischen Parlament überhaupt eine Reform des Ehe- und Familienrechts diskutiert wird und konkrete Gesetzentwürfe zur Abschaffung von Brautpreiszahlungen und zum Schutz vor häuslicher Gewalt vorliegen. Aber bis daraus Gesetze werden, ist noch ein weiter Weg.

Immerhin bot die Konferenz in Makerere eine Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch. Grace Loumo unterstützt Nomadenfrauen im Nordosten Ugandas: „Auf legalem Wege hat ein junger Mann kaum die Chance, die vielen Dutzend Rinder herbeizuschaffen, die von den Alten als Brautpreis gefordert werden. Das öffnet dem Viehdiebstahl und bewaffneten Überfällen im Grenzland von Uganda und Kenia Tür und Tor.“ Und sie erzählt weiter, dass junge Mädchen oft von alten Männern geheiratet werden, weil nur die sich die Rinderzahlungen leisten können. Häufig sind diese Männer aber bereits HIV-positiv und stecken die Mädchen an. Wenn die Jungen keinen Brautpreis aufbringen können, haben sie kaum eine Chance, den Status eines erwachsenen Mannes und Familienvaters zu erwerben. Obwohl es sich hier eigentlich um einen Generationenkonflikt zwischen Männern handelt, hat das fatale Folgen für die Frauen. Denn die jungen Männern suchen nach Alternativen, ihre Maskulinität zu beweisen. „Seit Eheschließungen nicht nur mit symbolischen Gaben besiegelt werden, sondern als willkommene Einnahmequelle dienen, ist die Zahl der Vergewaltigungen gestiegen“, sagt Grace Loumo. „Und das lässt sich nicht mehr mit Traditionen rechtfertigen. Wir brauchen endlich Gesetze, die diesen Entwicklungen Einhalt gebieten.“

Der politische Druck in Uganda soll nun verstärkt werden, wozu die auf der Konferenz Mitte Februar verabschiedete „Kampala-Deklaration gegen Brautpreiszahlungen“ maßgeblich beitragen könnte. Denn darin sprechen sich Vertreterinnen von Frauenorganisationen aus ganz Afrika gegen Brautpreispraktiken und für die Umsetzung von Frauenrechten aus.

Vorbild dafür ist Südafrika, weil die ANC-Regierung unter dem Druck einer starken Frauenbewegung einen umfassenden Kanon von Gleichheitsgrundsätzen in die Verfassung aufgenommen hat. Dennoch klammern sich etliche schwarze Männer, enttäuscht wegen unerfüllter Hoffnungen auf eine Verbesserung ihres Alltags, an das einzig verbliebene Machtrefugium: die umfassende Kontrolle über ihre Ehefrauen. Auch sie gehen davon aus, dass Brautpreiszahlungen „eheliche Disziplinierung“ legitimieren.

„Konsumorientierung und Gruppendruck durch andere Männer haben die alten Ideale von Männern als versorgende Familienväter verdrängt. Geblieben sind aber die patriarchalen Ansprüche“, so die Einschätzung der Psychologin Tina Sideris, die in einem psychosozialen Hilfsprojekt für weibliche Gewaltopfer in Südafrika arbeitet.

Auf die Überwindung geschlechtsspezifischer Gewalt zielt auch das Netzwerk tansanischer Journalistinnen „Tansania Media Women’s Association“ ab. Direktorin Ananilea Nkya gibt zu bedenken: „Wir sind mit dem Problem konfrontiert, dass bei etlichen Ethnien wie den Masai-Nomaden Brautpreiszahlungen und Genitalverstümmelungen von Mädchen sich unheilvoll ergänzen. Für Mädchen, die den traditionellen Ritualen unterzogen wurden und nicht zur Schule gegangen sind, kann ein Vater einen besonders hohen Brautpreis fordern. Dies fördert die Genitalverstümmelung trotz aller bekannten dramatischen gesundheitlichen Folgen.“ Durch Radioprogramme und Theaterstücke in den Lokalsprachen wollen die Journalistinnen Aufklärung leisten.

Auch in Tansania ist es das Verdienst der Frauenorganisationen, dass 1998 ein Gesetz zur Ächtung aller Formen der geschlechtsspezifischen Gewalt erlassen wurde. Nun wollen die Medienfrauen dafür sorgen, dass die Politiker auch an dessen Umsetzung gemessen werden. Dazu müssen sie aber, wie in Uganda und letztlich in ganz Afrika, gegen die traditionellen Autoritäten Position beziehen, die in der Abschaffung des Brautpreises einen Verrat an Kultur und Tradition sehen. Afrikas Kampf gegen Frauenverachtung hat erst begonnen.