„Privatisierung ist nicht die Lösung“

Gestern wurde der CDU-Politiker Michael Teiser zu Bremerhavens neuem Stadtkämmerer vereidigt. Im taz-Interview spricht der Bürgermeister über das Versagen der Politik, luxuriöse Hallenbäder und die wacklige Zukunft städtischer Jugendheime

taz: Herr Teiser, Sie sind jetzt neuer Kämmerer von Bremerhaven. Was wollen Sie anders machen als Ihr Vorgänger?Michael Teiser: Der Kämmerer ist ja nicht allein verantwortlich für die Finanzen, sondern die Vorgaben kommen aus der Politik – über Stadtverordnetenversammlung und Magistrat. Deshalb ist auch an der Arbeit meines Vorgängers nichts zu kritisieren. Jeder Kämmerer kann nur so erfolgreich arbeiten, wie die politischen Vorgaben sind. Wenn sich die Politik auf den Standpunkt stellt, das Stadttheater ist eine heilige Kuh und muss jedes Jahr elf Millionen Euro kosten, dann kann der Kämmer mit den Zähnen knirschen – es hilft ihm nichts. Er muss bezahlen.

Wo sehen Sie die Wurzeln des finanziellen Elends von Bremerhaven?

Das Problem ist wie bei allen Kommunen: Man nimmt zu wenig ein und gibt zu viel aus. Wenn man einst per Grundgesetz festgelegt hätte, dass keiner mehr ausgeben darf, als er einnimmt, dann wären die Kommunen heute wohl der Pflicht enthoben, Hallenbäder zu schließen oder Sparten am Theater abzubauen. Die Politik hat es versäumt – und da muss ich mir an die eigene Brust klopfen, ich war ja lange genug dabei – dass man nicht schon vor 25 Jahren deutlich gemacht hat, dass es so nicht weitergehen kann.

Wo werden Sie in Bremerhaven den Rotstift ansetzen?

Im Prinzip müssen alle Ausgaben, die gesetzlich nicht fixiert sind, auf den Prüfstand. Wir dürfen aber nicht weiter dem Irrglauben anhängen, dass das Einsparen von Personalkosten im öffentlichen Dienst ein Allheilmittel ist. Das Problem ist nicht, dass der Einzelne zu viel verdient, sondern dass es eine solche Anzahl von Angestellten, Arbeitern und Beamten gibt – weil die Politik der öffentlichen Verwaltung ständig neue Aufgaben übertragen hat.

Auf welche Aufgaben sollte die Kommune also verzichten?

Ich will ein ganz schlichtes Beispiel machen: Muss es städtische Jugendheime geben? In welchem Umfang und mit welchem Betreuungspersonal muss es sie geben? Und kann man sie vielleicht an freie Träger übertragen, an Kirchen? Mir ist klar, dass in jedem gewachsenen Bereich alle sagen werden: „Um Gottes willen, das kann man doch nicht auflösen.“ Wir müssen im Einzelfall diskutieren, in welchem Umfang was noch möglich ist.

Wollen Sie, ähnlich wie die Bremer, Bäder schließen?

Sie werden, wenn Sie durch Deutschland fahren, keine Stadt mit 120.000 Einwohnern finden, die eine solche Bäderlandschaft hat wie Bremerhaven, darunter die beiden luxuriösesten Hallenbäder dieser Republik. Gleichwohl hat schon die Schließung des ersten Freibads in Speckenbüttel für hohe Wellen gesorgt. Und die Schließung des nächsten Freibades wird auch für Unmut sorgen. Doch selbst bei dieser Hitze waren die Besucherzahlen des verbliebenen Freibads Grünhöfe so mies, dass es die Kommune nicht verantworten kann, auch künftig zehn Euro pro Besucher draufzulegen.

Heißt das Zauberwort also „Privatisierung“?

„Privatisierung“ hört sich auf den ersten Blick gut an, ist aber auch nicht die große Lösung. Man kann Personalkosten so ein wenig kaschieren – ich hab’ die dann nicht mehr im Haushalt stehen, sondern sie in irgendeiner Gesellschaft. Die Zuschüsse an die Gesellschaft kosten dann gleich viel wie vorher das Personal. Und die Gesellschaften erwirtschaften ja auch nicht unbedingt irre Gewinne. Das ist oft ein Nullsummenspiel.

Am Montagabend sollte beim Bundeskanzler ein Spitzengespräch zur Reform der Gemeindefinanzen stattfinden. Was erhoffen Sie sich davon?

Ich befürchte, dass es auf der einen Seite zu Erleichterungen für die Kommunen kommt, die auf der anderen Seite wieder weggerechnet werden. Ich weiß nämlich nicht, woher Finanzminister Eichel nochmal für 5, 7 oder 9 Milliarden Euro Luft hat. Mein Traum wäre aber die Reform der Sozialhilfe mit der Einführung eines „Arbeitslosengelds II“, das ausschließlich vom Bund bezahlt würde und die Kommunen davon entlastete. Käme es so, hätte Bremerhaven einen Vorteil: Wer überproportional viele Sozialhilfeempfänger hat, bei dem müsste folglich auch die Entlastung überproportional hoch sein.

Diskutiert wird auch die Reform der Gewerbesteuer – etwa eine Einbeziehung der Freiberufler oder eine Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes...

…davon wären wir eher negativ betroffen. Denn wer aufgrund der Wirtschaftsstruktur kein so riesiges Gewerbesteueraufkommen hat, dem nützt das auch nicht viel.

Interview: Markus Jox