Sprung aus dem zwölften Stock

Der Spitzenmanager und Erbe des größten südkoreanischen Konzerns Hyundai, Chung Mong Hun, nimmt sich das Leben. Grund ist ein Skandal um südkoreanische Schmiergeldzahlungen im Juni 2000 an Pjöngjang vor einem historischen Gipfel

von ANDRÉ KUNZ

Der Sprung aus dem zwölften Stock eines Bürogebäudes in Seoul war vorbereitet. Drei Briefumschläge hatte Chung Mong Hun, 54, Hyundai-Erbe und einer der bekanntesten Unternehmer Südkoreas hinterlassen. Sie geben zwar keinen Aufschluss über das Motiv, aber ihr Inhalt deutet darauf hin, dass sich Chung wegen des hochkarätigen Schmiergeldskandals um Nordkorea das Leben genommen hat.

Chung wird vorgeworfen, vor dem historischen Gipfel zwischen Nord- und Südkorea im Juni 2000 an einem Transfer von rund 500 Millionen Dollar (433 Millionen Euro) für den kommunistischen Norden beteiligt gewesen zu sein. Eine Untersuchungskommission hatte erst vor zwei Wochen bestätigt, dass mindestens 100 Millionen Dollar dieser Überweisungen auf geheime Konten des nordkoreanischen Regimes geflossen seien, um den Gipfel zwischen den beiden Staatschefs überhaupt zu ermöglichen. „Ich hoffe, ihr alle könnt mir diese törichte Handlung verzeihen“, schrieb Chung in einem Abschiedsbrief an den Vizepräsidenten von Hyundai Asan, der Tochtergesellschaft im Hyundai-Konglomerat, die für Investitionen in Nordkorea zuständig ist. In Südkorea war diese Schmiergeldaffäre vor einem Jahr aufgeflogen. Es gelang dem damaligen Präsidenten Kim Dae Jung, den Skandal bis nach seinem Rücktritt im Januar 2003 unter dem Deckel zu halten. Hyundai, das größte südkoreanische Firmenkonglomerat, galt als Hauptsponsor der Regierung von Kim Dae Jung, der für seine Entspannungspolitik gegenüber dem Norden auch den Friedensnobelpreis 2000 erhalten hatte.

Chung Ju Yung, der 2001 verstorbene Hyundai-Gründer, war am Gelingen der unter dem Namen „Sonnenscheinpolitik“ bekannten Entspannung mit dem Norden maßgeblich beteiligt. Er sicherte sich dank seiner Kontakte zu Nordkoreas Staatschef Kim Jong Il exklusive Rechte für Investitionen im Norden. Chung Mong Hun, der jüngste Sohn des Hyundai-Patriarchen, war vom Vater als Nachfolger für die Leitung des Konglomerats auserwählt worden und überwachte als Vorstandschef von Hyundai Asan die Investitionen in Nordkorea. Dank der Zahlung vor dem Gipfel sicherte sich Hyundai Asan das Monopol für den Bau eines Tourismuszentrums am Berg Kumgang und erstellt auch einen Industriepark im Norden der Hafenstadt Namsan, wo südkoreanische Unternehmen ihre Produktion in das Tieflohnland Nordkorea auslagern sollen.

Die südkoreanische Sonnenscheinpolitik ist gescheitert, nachdem der Norden mit einem aggressiven Nuklearprogramm begonnen hat und die USA an den Verhandlungstisch zwingen will. Am Wochenende hat sich Pjöngjang bereit erklärt, an multilateralen Verhandlungen mit sechs Nationen teilzunehmen. Beobachter gehen davon aus, dass die südkoreanische Regierung nach dem Selbstmord von Chung eine härtere Gangart gegenüber dem Norden einschlagen und die Ermittlungen auf Expräsident Kim Dae Jung ausweiten dürfte.

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