Die Bierkutscherin

Berlinale Star-Album (3): Kate Winslet

War nach „Titanic“ eigentlich irgendjemand in Kate Winslet verliebt? Unwahrscheinlich. Als James Camerons Schiffsuntergangsepos 1997 in die Kinos kam, zog nicht sie, sondern ihr schmalzlockiger Filmpartner Leonardo DiCaprio weltweit die gesamte mediale Aufmerksamkeit auf sich.

Leo, mittlerweile unter vollem Namen ein allseits geachteter Hollywoodstar, kommt am Montag nach Berlin, um auf der Cinema for Peace Gala die Weltrettung voranzutreiben. Kate Winslet war schon da. Am Freitag stellte sie auf der Berlinale Stephen Daldrys Verfilmung von Bernhard Schlinks Bestseller „Der Vorleser“ vor.

Darin spielt Winslet Hannah Schmitz, eine frühere KZ-Aufseherin, in die sich der jugendliche Held des Films, Michael Berg (David Kross), Ende der 50er-Jahre verliebt. So wie Hannah Michael in ihren Bann zieht, so fasziniert sind Journalisten und normale Kinogänger derzeit von Kate Winslet, die in „Zeiten des Aufruhrs“ gerade zum ersten Mal wieder mit DiCaprio vor der Kamera stand und ihm diesmal sogar den Rang abläuft. Poster allerdings wird sich von ihr kaum jemand aufhängen.

Den Winslet ist ein Star für Erwachsene, nicht nur wegen ihres überlieferten Faibles für Kraftausdrücke. Ein Teil ihres Images ist das einer Bierkutscherin – der andere, wesentlich wichtigere Teil der einer Frau, die in ihre Schönheit erst hereinwachsen musste. Derzeit ist sie so stimmig wie nie. Dass Winslet die Pressekonferenz zum „Vorleser“ dominierte, war also keine Überraschung, ebenso wenig, dass sie statt der Else-Kling-Gedächtnis-Kittelschürzen aus dem Film einen dezenten grauen Hosenanzug tug. In dieser Kleiderwahl spiegelt sich die Ernsthaftigkeit, mit der Winslet ihren Beruf ausübt. Aus ihrem Mund klingt selbst die Beteuerung, sich für die Rolle intensiv mit Analphabetismus auseinandergesetzt zu haben, nicht wie hohles Schauspieler-Blabla – man glaubt ihr einfach.

Von diesem Artikel wird Winslet übrigens nie erfahren – nicht nur weil er auf Deutsch ist, sondern weil sie sich grundsätzlich von Medien fernhält. Sie habe keine Magazine oder Zeitungen zu Hause, sagt sie: „Das hält mich gesund; wenn ich mit offenem Herzen und klarem Verstand meinen Job machen will, kann ich nicht lesen, was andere über mich schreiben.“

Der filmreife Satz: „Jedes Buch ist auf persönliche Erfahrung gebaut, also auch dieses“ (Bernhard Schlink). DAVID DENK