Weltkulturerbe Dom
: Jeder Mülleimer verdeckt die Sicht

Köln zittert, weil der Dom wackelt. Die UNESCO hält ihn für bedroht, meint, man könne ihn vom Deutzer Ottoplatz nicht mehr sehen. Von dort muss man ihn auch nicht sehen. Der Dom wirkt von Weitem, er beherrscht die Uferfront und steht in manch schöner Sichtachse. Ansonsten kann man aus der Froschperspektive jeden Mülleimer so fotografieren, dass er die Sicht auf den Dom verdeckt.

Solche Blickpunkte suchen die alten Männer der UN-Kulturorganisation, die mit Kleingärtnermentalität die Schönheiten der Erde retten wollen – mal eine intakte Altstadt, mal ein Ensemble oder ein brillantes Einzelstück. Das sind Sorgen!

Kommentar von Cord Machens

Bagdad war noch nicht auf der Liste und Dresden vor der Bombardierung auch nicht. Jetzt ist die Stadt mitsamt der Frauenkirche rekonstruiert und schnell geschützt. Schade nur, dass der Ex-UNESCO-Botschafter Peter Ustinov keine launigen Reden mehr halten kann. Mehrsprachig. Die UNESCO hätte als Beispiel für die Spannweite abendländischer Kulturbemühungen das Dresden von 1945 auf die Liste nehmen sollen, mit Guernica und vielleicht einem Slum in New York.

Köln braucht Zertifikaten nicht hinterher zu hecheln. Köln IST Kulturhauptstadt und der Dom IST Weltkulturerbe. Das gnadenlose Kölner Selbstbewusstsein ruht sich nur zu gern auf Meriten der Vergangenheit aus. Der Dom wird im Übrigen von der Dombauhütte seit 756 Jahren bestens beschützt. Die Domplatte ist etwas laut, die Tiefebene am Chor urinös und die Uferpromenade verkommen. So ist das mit dem öffentlichen Raum in Köln, und es kümmert den Dom nicht wirklich. Innen licht und außen dramatisch steigt er aus dem Kölner Schmutz empor und wird sich von ein paar Hochhäusern in Deutz nicht irritieren lassen.

Der Messeturm war ein erstes Deutzer Zeichen. Er erweist – expressionistisch und damit backsteingotisch – dem Dom auf der anderen Rheinseite Reverenz. Der Deutzer Sündenfall war das Lufthansa-Haus, das die kessen Architekten als „Gegenpol und attraktiven Blickfang“ sahen. Jetzt zeigt das unfertige LVR-Hochhaus die Verschiebung der Akzente: Aus den Solitären wird eine Reihe, die Bedeutung des Einzelnen mindert sich in der Gruppe. Deshalb werden weitere Hochhäuser am Deutzer Bahnhof der „schäl Sick“ gut tun und dem Dom nicht schaden.

Man mag diesen kleinen Hochhausträumen nicht ganz trauen. Aber der erste Schritt ist getan, wenn auch mit zweifelhaften Symposien und mit Hilfe der Kölner Grünen. Nun muss Köln da durch und Wert auf die Qualität der Architektur legen.

In Köln wurde städtebaulich schon viel versprochen und vergessen, angefangen und liegen gelassen. Im „Handbuch Deutscher Kunstdenkmäler“ schreibt Georg Dehio: „Künstlerisch wertvoll nur einzelne Bauten, unter denen die ma.Kirchen den ersten Rang einnehmen.Großartig die Rheinansicht vom Deutzer Ufer. Das Stadtbild als solches heute ganz reizlos.“ Das war 1938, vor Zerstörung und Wiederaufbau.