Kreolisches Potpourri

Die etwas anderen Re-Fugees: Die vielköpfigen Boukman Eksperyans, Veteranen der haitianischen Roots-Szene, präsentieren sich bei den „Heimatklängen“ am Kulturforum

Was verbindet Haiti eigentlich mit New York? Eine ganze Menge, wenn man sich die große Zahl haitianischer Immigranten in der US-Metropole vergegenwärtigt. Musikalisch scheinen sie zwar nicht so präsent wie andere Minderheiten – berühmt geworden ist allein das HipHop-Erfolgstrio der Fugees, dessen Name übrigens von einer abfälligen Bezeichnung für die Einwanderer aus Haiti rührt: Mit „Fugees“ – einer Abkürzung für „Refugees“ – wurden die Flüchtlinge von der krisengeschüttelten Karibikinsel in New York verspottet, so wie man hierzulande die vietnamesischen Immigranten gerne „Fidschis“ schimpft.

Eine andere Art von Re-Fugees sind Boukman Eksperyans: Als Bannerträger der haitianischen Roots-Musik pendeln sie nicht nur musikalisch, sondern auch ganz real schon seit Jahren zwischen Haiti, Jamaika und den USA. Die Gruppe entstand 1978, zu einer Zeit, als in Haiti noch der Diktator Jean Claude „Baby Doc“ Duvalier an der Macht war, gegründet vom Haiti-Rückkehrer Lolo Beabrun, der in den USA aufwuchs und dort studierte.

Unter Haitianern sind Boukman Eksperyans für ihre politische Haltung bekannt. Davon kündet schon der Name der Band, der auf den Mythos des Sklaven Boukman Jetty zurück geht: Der soll 1804 den Anstoß zu jenem Aufstand gegeben haben, der zur Unabhängigkeit Haitis führte. Diesem Erbe verpflichtet, sehen sich Boukman Eksperyans als Sprachrohr der schwarzen Bevölkerung. Sie beziehen sich positiv auf die Wurzeln der Voodoo-Kultur. Und sie singen im kreolischen Dialekt der Insel, der von diversen Regierungen aus Sorge um dessen subversives Potenzial öfters verboten worden war.

So wechselhaft wie die politischen Verhältnisse in Haiti, so wechselhaft verlief auch die Karriere von Boukman Eksperyans. Oft fielen ihre Stücke der Zensur zum Opfer – etwa „Kem Pa Sote“, das 1990 aus dem Radio verbannt und gerade deshalb zur Hymne der Protestbewegung wurde, die den Sturz des Militärgenerals Avril herbeiführte.

Dafür erhielten sie schon früh Anerkennung aus dem Ausland. Ein britisches Label nahm die Band unter Vertrag, und so erscheinen ihre Alben fortan weltweit. Ihr internationales Debüt „Kalfou Danjere“ wurde 1993 sogar für einen Grammy nominiert, und mit den Alben „Libeté“ (1995) und „Revolusyon“ (1998) festigten Boukman Eksperyans ihren Ruf (Das letzte Album nahmen sie übrigens im Studio von Ober-Fugee Wyclef Jean auf).

Zu ihrem Auftritt bei den „Heimatklängen“ reisten sie nun gleich im Dutzend an, mit zwei Tänzern und einer ganzen Percussionisten-Schar. Doch was sie in Schwaden von Kunstnebel auf der Open-Air-Bühne am Kulturforum präsentierten, war keine Offenbarung: Obwohl sich die Tänzer in ihren blütenweißen Hemden wirklich ins Zeug legten und die Musiker ihr Publikum mit „Aaa-yy-eee“-Rufen zu Call-and-Response-Spielchen animierten, wollte der Funke nicht so recht überspringen: Zu altbacken wirkte der Auftritt, und von Pop-Rock-Roots-Reggae-Plattitüden gezeichnet. Die Basis der Musik, das komplexe Geklöppel der haitianischen Percussion, ging jedenfalls allzu oft in einem diffusen Potpourri unter, und mit ihren aufkreischenden Gitarren, den „Vibration“-Appellen ihres Wortführers und ihren Keyboard-Melodien erinnerten Boukman Eksperyans an kommerzielle Roots-Reggae-Acts der Achtzigerjahre, an Third World oder Touré Kunda. Allein ein Akustik-Set bot Erholung: Erst da war etwas von der traditionellen Aura ihrer Musik zu spüren.

Inzwischen sind Boukman Eksperyans wohl so etwas wie die Rolling Stones von Haiti. Mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt. DANIEL BAX

Boukman Eksperyans: bis Samstag tägl. 21.30 h, Sonntag 18 h. Eintritt 5 €