„Man meint, Behinderte machen alles kaputt“

Der neue Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes bedient teilweise alte Klischees, sagt Aktivist Ottmar Miles-Paul

taz: Herr Miles-Paul, auch beim Abschluss von privaten Verträgen soll man Behinderte demnächst nicht mehr diskriminieren dürfen. Sind Sie zufrieden?

Ottmar Miles-Paul: Wir sind halb zufrieden. Denn es gibt im Entwurf Einschränkungen. Wenn man „Schäden“ oder „Risiken“ vermeiden möchte, darf man Behinderte weiter diskriminieren. Damit hat man alte Klischees bedient: Behinderte muss man schützen, und: Die machen alles kaputt. Das wollen wir nicht. Wenn Behinderte etwas kaputt machen, müssen sie es bezahlen. Das ist kein Grund, ihnen einen Vertrag zu verweigern.

Ohnehin sollen Behinderte nur bei standardisierten „Massengeschäften“ geschützt sein. Reicht das?

Das reicht uns langfristig natürlich nicht. Aber es sind immerhin sehr typische Diskriminierungen damit erfasst. Wenn Behinderte im Restaurant nicht bedient werden, etwa. Damit haben wir zumindest den Einstieg in eine Antidiskriminierungskultur geschafft. Um Versicherungsverträge streiten wir noch. Da gibt es Standard-Verträge, die man als Massenverträge bezeichnen könnte. Von Unfall- oder Lebensversicherungen etwa sind Behinderte oft ausgeschlossen.

Justizministerin Zypries verweist darauf, dass das eher individuelle Verträge sind.

Man kann da viele Haare spalten. Es geht um eine Antidiskriminierungsphilosophie. In den USA gibt es die: Da verstehen die Unternehmen schnell, wenn sie gerade im Begriff sind, jemanden zu benachteiligen. Als ich dort als Sehbehinderter selbst den Vertrag für einen Mietwagen abschließen wollte, obwohl ich nicht der Fahrer war, genügte der Verweis auf das Antidiskriminierungsgesetz. Sofort machte es Klick und es ging.

Könnten Sie klagen, weil ein Geschäft nicht behindertengerecht gebaut ist?

Wir könnten wohl eher klagen, wenn es um ein Massengeschäft geht. Wenn eine Bank nur übers Internet Geschäfte macht, und die Seite ist nicht blindengerecht untertitelt, dann wäre das eine Diskriminierung.

Davor haben Unternehmen wohl gerade Angst.

Beim US-Gesetz sah man aber schnell, dass ihnen die behindertengerechte Gestaltung oft nützte. Denn eine gut untertitelte Internetseite ist für alle übersichtlicher. Die Wohnungsbaugesellschaften in Deutschland fangen ohnehin schon an, behindertengerecht zu bauen, denn das nützt ihren älteren Mietern. Und das werden immer mehr.

INTERVIEW: HEIDE OESTREICH