Steht doch dazu, Drückeberger!

Eine Polemik von Robin Alexander

Die schwierigen Bedingungen sind es also. Aha. Widrige Umstände sollen die Ursache der krassen Erfolglosigkeit von Rot-Grün sein. Diese immer öfter vorgetragene Entschuldigung zeigt vor allem eines: den Ausmaß des Niedergangs. Wer so argumentiert, hat sich bereits aufgegeben. Vom: „Wir können es unter diesen Umständen leider nicht besser machen“ bleibt als Kern nur „Wir können es nicht“. Damit gewinnt man keine gesellschaftlichen Mehrheiten, wahrscheinlich nicht einmal eine Wahl. Das ist ein Loser-Argument.

Und das Verlierer-Argument ist auch noch falsch. Gegen die Union kann man im Bundestag nicht vernünftig regieren? Falsch. Natürlich ist parteiegoistische CDU-Politik in der Länder schlicht gegen den Geist des Grundgesetzes. Aber Frau Merkel hat ein Problem: Sie will ja in die selbe Richtung wie Rot-Grün. Im Gegensatz zum Blockierer Lafontaine kann sie eben letztlich nicht verhindern. Sie verschärft stattdessen. Das erhöht kurzfristig den Unmut über die Regierung im eigenen Lager, schon recht. Aber langfristig verändert diese CDU-Strategie die Republik eher schneller als langsamer in eben die Richtung, in die Schröders Reformgesetze sowieso zielen.

Ein beliebtes Entlastungsargument bei rot-grünen Anhängern ist auch der Verweis auf die internationalen Politik- und Finanzinstitutionen, die längst souveränes Handeln einer nationalen Regierung einschränken würden. Schon wahr. Nur darf man hier Opfer und Täter nicht verwechseln. Reiche Länder wie die Bundesrepublik sind es, die Personal und Politik von IWF, Weltbank und EU bestimmen. Ein Präsident Lula in Brasilien könnte mit Recht klagen, ihm würden Privatisierungen und Sozialkürzungen aufgezwungen. Ein Kanzler Schröder kann das nicht.

Seien wir ehrlich, die historischen Bedingungen für gesellschaftliche Reformpolitik war 1998 – als Rot-Grün startete – gut bis hervorragend. Keine Regierung in der deutschen Geschichte hat je eine sozial so befriedete und materiell befriedigte Gesellschaft regiert, wie sie Schröder und Fischer übernahmen. Jenseits der für bundesrepublikanische Verhältnisse einmalig schamlos zelebrierten Freude, an der Macht zu sein, geschah aber nicht viel. Rot-Grün wusste nie, wohin sie wollen. Die Grünen beschränkten sich mit Homoehe und Einbürgerungen von Ausländern von Anfang an auf Ornamente. Die SPD hingegen beschränkte sich aufs Reparieren: Systeme wurden nur reformiert, wenn sie offensichtlich vor dem Totalausfall standen: die Landwirtschaft nach BSE, die Bundesanstalt für Arbeit nach dem Skandal der gefälschten Statistiken.

Verspielt wurde nicht nur die 1998 weit verbreitete Bereitschaft, Neues zu akzeptieren. Stattdessen gibt es in der Dämmerung von Rot-Grün sogar einen Rückfall in längst überwundenes Großmachtstreben. Was mit Menschenrechtsrhetorik begann, endet im Bemühen um einen deutschen Sitz im Weltsicherheitsrat. Ob die Regierung 2006 abgewählt wird oder vorher scheitert, ist irrelevant: Von dem, was mit Rot-Grün verbunden wurde, ist längst nichts mehr übrig.