Bürger lassen kein Buch allein

Wegen Einsparungen bei den Stadtteilbibliotheken stellen Kölner Bürger ihre Ratspolitiker zur Rede. Die versuchen zu beschwichtigen und beteuern, dass damit nur die Strukturen gerettet werden sollen

VON HOLGER MÖHLMANN

„Fehlt die Bibliothek im Veedel, bliev der Tünnes hohl im Schädel“ oder: „Wer heute nichts tut, hat morgen nichts mehr zu lesen“. Getreu diesen Parolen hatten die Fördervereine der Stadtteilbibliotheken Sülz, Nippes, Rodenkirchen und Haus Balchem in der Südstadt am Donnerstag ins Studio Dumont geladen, um die Öffnungszeiten und den Fortbestand der Veedelsbüchereien mit interessierten BürgerInnen und Vertretern der vier großen Ratsfraktionen zu diskutieren. Letztere hatten die Podiumsplätze inne: die Fraktionsvorsitzenden von CDU und FDP, Karl Jürgen Klipper und Ralph Sterck, Grünen-Geschäftsführer Peter Sörries und für die SPD Hans-Georg Bögner – noch ohne Mandat, aber als sachkundiger Bürger mit beratender Stimme im Kulturausschuss.

Natürlich ging es vor allem darum, den Politikern kurz vor den Kommunalwahlen einmal richtig einzuheizen und konkrete Vorschläge zur Zukunft der Stadtteilbibliotheken zu erfragen. Doch nicht nur das: Dieses Treffen sollte eine Veranstaltung von unten sein – ein Report von der Lesebasis, um die Politiker vom Bildungsauftrag der kleinen Büchereien zu überzeugen.

So kam zunächst das Plenum zu Wort: Immer wieder betonten die BürgerInnen die kulturelle und vor allem die soziale Funktion der Stadtteilbibliotheken – als Anlaufstelle für Jugendliche, die dort ihre Hausaufgaben erledigen, als Fixpunkt für Senioren, die am Puls der Zeit bleiben möchten, als Ort der Anregung für Kinder und als Weiterbildungseinrichtung für Berufstätige, die in der überlaufenen Zentralbibliothek am Neumarkt nicht die richtigen Bücher finden. „Dass ich beruflich jetzt besser da stehe, habe ich zu einem großen Teil meiner Stadtteilbibliothek zu verdanken“, sagte eine Frau aus dem Publikum.

Vom Podium kam zunächst viel Beschwichtigendes: Von Schließung könne keine Rede sein, der Fortbestand aller Stadtteilbibliotheken sei im Haushaltssicherungskonzept bis 2007 festgeschrieben. Die neuen Schließungstage und verkürzten Öffnungszeiten sollten eben gerade dazu dienen, vorhandene Strukturen zu erhalten und – wenn denn nach 2007 alles besser sei – auf das ursprüngliche Niveau zurückzuführen. Von derlei Eventualitäten ließ sich das Publikum aber nicht überzeugen und fragte nach handfesten Plänen, um die Zukunft der Stadtteilbibliotheken auch langfristig zu sichern.

Während Bögner (SPD) für individuelle Konzepte je nach Bibliothek plädierte, sprach Ralph Sterck (FDP) davon, städtische Verkaufserlöse, zum Beispiel aus der Rheinenergie AG, in eine Stiftung zu überführen und die Zinsen dem Verwaltungsetat zur Verfügung zu stellen. CDU-Fraktionschef Klipper forderte ein stärkeres Engagement der betroffenen Bürger: Gäbe es einen Vertrag, der die Fördervereine als Träger der Stadtteilbibliotheken vorsehe, hätte die Stadt kein Recht, ihren Zuschuss zu kürzen, was jetzt jederzeit möglich sei.

Dem Appell von Grünen-Geschäftsführer Sörries, verstärkt zahlende Mitglieder zu werben, hielt Bibliotheksdirektor Horst Neißer die Zahl von zwei Millionen Euro jährlicher Eigeneinnahmen entgegen – damit liege die Kölner Stadtbibliothek bundesweit an der Spitze. Allerdings schlug Sörries auch vor, die Stadtteilbibliotheken aus den in Miete und Unterhalt teuren Bezirksrathäusern zu lösen. Dafür bekam er dann breite Zustimmung vom Publikum.