berliner szenen Und wieder Wetter

Es wird Hagel geben

Mein guter Hagel sammelnder Freund ist ganz aus dem Häuschen. Nachdem er mich vor kurzem nachts um halb vier angerufen hat, um die Telefonnummer des Freiburger Exmitbewohners meines Bruders herauszufinden, wo es in diesem Moment faustgroße Hagelkörner hagelte, sitzt er jetzt in voller Ausstattung in meiner Küche am Radio. Tiergarten sei strategisch günstig.

In Friedrichshain, wo er wohnt, kämen nur noch Spätausläufer des zu erwartenden Tiefs an. Und ihm meine Küche als Basiscamp zur Verfügung zu stellen sei das Geringste, was ich tun könne, nachdem ihm, durch meinen Kleinmut, der Freiburger Hagel entgangen sei. Ich hatte ihm die Telefonnummer verweigert, um zu verhindern, dass der Exmitbewohner in den frühen Morgenstunden von einem alarmierten Hagelsammler auf eine Gasse herausgeschickt wird, über der just in diesem Moment faustgroße Hagelkörner niedergehen. „Der Hagel kommt auch zu uns“, hatte ich ihm versprochen und musste mir daraufhin anhören, dass der Freiburger Hagel und der Berliner Hagel nicht miteinander zu vergleichen seien. „Ein kurzer Blick aufs Wetter“, sagt der Moderator, und mein guter Freund ruft mir reflexhaft zu: „Fass das Radio nicht an.“ Keine Sorge. „Die Temperaturen 19 bis 26 Grad, bis 30 Grad warm kann es heute werden, Achtung, wir erwarten Schauer, Gewitter mit Starkregen und Hagel.“

„Wann genau?“, will mein guter Freund wissen, und statt einer Antwort stelle ich ihm eine Tasse Tee hin, die er nicht trinkt, weil die ersten Tropfen auf dem Fensterbrett landen. „Es fängt an“, verkündet der Freund und ist schon weg. „Badische Weinbauern bangen um ihre Existenz“ – rufe ich ihm noch nach, aber ich glaube nicht, dass er das noch gehört hat. MONIKA RINCK