der kommentar
: Kannibalismus im Alltag

Rosa von Praunheim macht einen Menschenfresserfilm. Die CDU will ihn nicht gefördert sehen, die FDP ist dafür. Die Liberalen sind liberal. Erstaunlich.

Das Beängstigende zuerst: Rosa von Praunheim beschäftigt sich seit 20 Jahren mit dem Thema Kannibalismus. Außerdem ist er zu dem Schluss gekommen: „Er gehört sozusagen auch zu unserer Kultur.“ Dies drücke sich laut von Praunheim zum Teil auch in unserer Sprache aus, „in der katholischen Religion, in der Kommunion und Ähnlichem“.

Der Fall des vor einem halben Jahr zu achteinhalb Jahren Haft verurteilten Armin Meiwes hat ihn nun zu einem Spielfilm inspiriert: „Dein Herz in meinem Hirn“ soll er heißen und eine Mischung aus Groteske, Thriller und Dokumentation werden, angereichert durch des Meisters berüchtigten „schwarzen Humor“. Es war ja nur eine Frage der Zeit, bis dieses Thema aufgegriffen würde, und man möchte sich nicht ausmalen, was da bereits an Konzepten in den Schubladen der Privatsender liegt.

Rosa hatte jedoch die Nase vorn, gedreht wird ab September in Berlin, was die Filmstiftung Nordrhein-Westfalen jedoch nicht davon abhielt, mal eben 20.000 Euro für das Splatterprojekt springen zu lassen. Sehr zum Ungemach der CDU im Düsseldorfer Landtag, die es erstens eine Geschmacklosigkeit findet, dass so ein Film überhaupt gemacht wird, und zweitens einen Skandal, dass dafür auch noch Steuergelder verprasst werden.

Von Praunheim weiß jedoch nicht nur die Filmstiftung NRW auf seiner Seite, sondern auch die Landtags-FDP. „Filmförderung kann nicht davon abhängen, ob Regisseure wie von Praunheim den Geschmack von Politikern treffen“, erklärte deren Medienbeauftragter Stefan Grüll.

Kein Mensch weiß heutzutage mehr, wozu man die FDP überhaupt braucht, aber in Fällen wie diesen ist stets Verlass auf liberale Indifferenz. Solange es die Geschäfte nicht stört, soll das Abendland ruhig untergehen. In der Zwischenzeit durchdringt der Kannibalismus womöglich unsere Kultur, und niemand tut was dagegen! MARTIN REICHERT