Tobias Regensburgers Schaukasten in der Ost-West-Straße präsentiert Zivilisationsmüll
: Kleine Plunderseen

Wollpakete, eine Strumpfmaske mit Gesicht, ein Bündel getragener Turnschuhe, dahinter Zeichnungen, Malereien und Fotos – unter anderem das von einer fettigen Wurstscheibe auf dem Grill. Tobias Regensburger hat den Schaukasten in der Ost-West-Straße 57 bis zum Rand mit Alltagsmüll gefüllt. Ein wenig erinnert die Ausstellung der Reihe „Zeitbewegungen“ an das bittere Ende eines Flohmarkts.

Regensburger gilt als Chaot, dessen Wohnung immer so aussahen, wie die Installation im Schaukasten an der Straße. Doch dass hier eine Angst spürbar wird, ein Horror vor den Versehrungen des Körpers etwa, darf nicht verschwiegen werden. In der Tradition von Hans Bellmer, Cindy Sherman oder Sarah Lucas zerstückelt Regensburger Puppenfiguren, die er bisweilen neu zusammensetzt. Der Mädchenkopf mit dem langen Haar zum Beispiel ist ein Bellmer-Zitat, doch Regensburger kommt eigentlich aus dem Jetzt: Jämmerlich billig aussehende Weltraumanzüge, Moonboots und Plastikwaffen entwickelt der 1966 in Göttingen geborene Künstler, außerdem Phantasiemaschinen, einen Hund mit Korkennase, der alles beschnüffelt, was ihm begegnet.

Regensburger lebt mit seiner Kunst. Alle abgelatschten Schuhe hier hat er schon selbst getragen. „United States Military Academy“ steht auf einem bunten Rucksack, den er für einen imaginären Kämpfer gepackt hat. Mit diesem Rucksack kann man dem Leben begegnen, könnte man glauben. Überhaupt, das Leben: „Was macht man mit so einem angebrochenen Leben?“ Dieser Satz spukt in Regensburgers Kopf umher. Seine Kunst ist eine Möglichkeit, die eigenen Ängste zu zeigen. Das geht auch auf engstem Raum. Kleine Plunderseen haben sich im Schaufenster gebildet, ein Setzkasten etwa, ein Aufbewahrungsort für Überflüssige. Zwar sieht das Ganze aus wie Zivilisationsmüll, aber eigentlich steht hier das Leben selbst zur Schau. Es ist hässlich und tut im Auge weh. Einer alten Becks-Bier-Mütze hat Regensburger einen Totenkopf verpasst – und man denkt an das Segelschiff auf dem Meer. Sail away: Regensburgers fiese Kunst kriecht durch alle Planken.

MARC PESCHKE

Schaukasten Ost-West-Straße 57; bis 31.8.