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Keine ExtraSchicht an den Nebenschauplätzen

Das ganze Ruhrgebiet soll in der Nacht der Industriekultur in Bewegung kommen. Die vier Drehscheiben waren gut besucht. Doch in den Peripherien wurde früh Feierabend gemacht. Chillout vom Feinsten in der Jahrhunderthalle

Ruhr taz ■ Kurz nach Mitternacht auf Zeche Zollverein. Im Choreografischen Zentrum werden die Tische gewischt, Thomas Rother schließt seinen Kunstschacht. Für die spärlichen Besucher, die sich jetzt noch in der Peripherie der Industriebauten umschauen wollen, ist alles vorbei. Auch die Videofilmer aus Bochum haben ihren Kurzfilm-Event bereits abgebaut. Die Nacht der Industriekultur im Ruhrgebiet war hier ziemlich kurz. Zeitgleich fanden woanders die theatralischen Höhepunkte statt. Vor der Kulisse des Hüttenwerks in Hattingen rangen tollkühne Piloten um die Vorherrschaft in der Flugkunst und ließen ihre Firebirds, abenteuerliche Vehikel aus Eisen und Stahl, durch die Luft wirbeln. Und auf der Zeche Zollern in Dortmund, einer der Drehscheiben des Abends, drängelten sich die Besucher um die Darsteller der Berliner Straßen-Theatergruppe Pan.Optikum, die in schwindelnden Höhen ihre phantastische Zauberwelt durchstreiften. Ihr RuhrTriennale-Projekt „Orpheus“ wird Ende Juli in der Jahrhunderthalle Premiere haben.

Im Schloss Oberhausen hatte sich Stunden vorher erster Unmut breit gemacht. Die angekündigte Medea-Leseperformance mit Christa Wolf wurde kurzfristig umbesetzt. Sie soll drei Tage vorher abgesagt haben. Einige Besucher, die extra in die Ludwig-Galerie gereist waren, wanderten enttäuscht wieder zum Shuttlebus. So verpassten sie die Performance des Theater Oberhausen, wo Menschwerdungs-Mythen in einem Kerzenmeer mit kleinem Orchester deklamiert wurden.

Der Duisburger Innenhafen lockte die meisten Nachthungrigen: 70.000 Besucher wollten eine „feurige Inszenierung“ der Stadtwerke bestaunen, das Museum Küppersmühle bei Nacht besuchen und Claudia Lüke tanzen sehen. Zuerst aber hieß es Schlange stehen für die Schiffstouren zum Rhein oder für einen Milchkaffee in den zahlreichen Cafés. Von den angekündigten Straßenkünstlern, „kopflosen Gestalten mit Aktenkoffern“ und „riesigen Insekten“ war nichts zu sehen, dafür aber Bratwürstchen ohne Ende. Für die groß angekündigte Licht-Inszenierung drängelten sich schon bei Tageslicht Zehntausende um das Hafenbecken. Als dann aber doch nur ein paar bunte Glühbirnen aufleuchteten und ein paar Wasserschläuche spritzten, waren die Shuttlebusse gefragt.

Dennoch freuten sich die Veranstalter auch in diesem Jahr über einen neuen Besucherrekord. Rund 125.000 Besucher strömten durch die Region mit 35 Spielorten in 17 Ruhrgebietsstädten. „Unser Konzept geht auf“ sagt Jürgen Steiner, der Geschäftsführer der Ruhrgebiet Touristik. Die Besucher würden die Veranstaltung in jedem Jahr besser aufnehmen. Der Chillout in der Bochumer Jahrhunderthalle um 01:00 Uhr war dafür etwas spärlich besucht. Nur wenige wussten wohl, dass der kanadische Balladen-Songwriter Ron Sexsmith mit Bill Frisell und Freunden eine Jam-Session spielte. Vor der Halle wartete jedenfalls lange ein ziemlich leerer Shuttle-Bus nach Hattingen. Dabei sollen die Shuttler fast einmal um den Erdball gefahren sein. A. JOERES/P. ORTMANN

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