fußpflege unter der grasnarbe
: Mit breiter Brust: Der Meister und der Textil-Diskont

Es wäre übertrieben zu behaupten, dass Colt Sievers der Held meiner Jugend gewesen sei. Doch wie er nach getaner Arbeit so dasaß mit verknautschtem Gesicht, unter sich ein teures Auto und neben sich Heather Locklear, während im Off das formidable „Unknown stuntman“ trällerte – das alles rührte nicht nur meine Kinderseele an. Dennoch war mir schon früh klar, dass ich es so weit nie bringen würde, abgesehen davon, dass mir Sprünge von brennenden Hochhäusern schon damals nicht sonderlich attraktiv vorkamen.

Keine Ahnung, ob ich mit neun Jahren gewusst hätte, wie man das Wort „Stuntman“ schreibt, jedenfalls gab ich in der dritten Klasse als Berufswunsch „Becker“ an (und meinte damit nicht den Tennisspieler), „oder Fußballtrainer“ – Letzteres, wie ich heute vermute, von der Vorstellung beseelt, man sei als Coach genauso nah dran am Faszinosum, ohne so viel schwitzen zu müssen wie das kickende Bodenpersonal. Heute weiß ich es besser: Im Vergleich zum vermeintlichen Laumeier-Job ist die Stuntmännerei der reinste Sonntagsspaziergang unter den Berufen: Ständig einen Puls um die 300, stets das Gefühl der Ohnmacht, wenn die Spieler mal wieder zeigen, dass sie von der Taktikbesprechung so viel verstanden haben wie vom Theorem des Archimedes. Und dann die dämlichen Reporterfragen: „Woran lag‘s?“ „Warum haben Sie X ein- und Y nicht ausgewechselt?“

Das Schlimmste an ihrem Job, so sagen Trainer ihren Lieblingsjournalisten dann auch, seien die Journalisten. Vor lauter Gesabbel komme man kaum mehr zur eigentlichen Arbeit. Und was ist der Dank? Irgendwann brabbelt die Journaille wieder vom „schwächsten Glied in der Kette“, man muss sich von undankbaren Exspielern beschimpfen lassen, schon wieder in eine andere Stadt ziehen. Und am nächsten Morgen wacht man dennoch nur wieder neben Beate Rehhagel anstatt neben Heather Locklear auf. Kein Wunder, dass so viele Trainer lädierter aussehen als Colt Sievers nach dem dritten Nasenbeinbruch. Eine ganze Generation von Trainern, viel zu jung dahingerafft von Alkoholismus, Drogensucht und Haarausfall.

Im 21. Jahrhundert muss der Coach auch noch Zitables zum Hauptsponsor absondern. Was aber soll Thomas Schaaf in Bremen in diesem Sommer erzählen? Der Meister muss für einen Billigklamotten-Verchecker werben, dem offenbar selbst das Ramsch-Wort „Discount“ zu glamourös klingt, weshalb er sich „Kik, der Textil-Diskont“ nennt. Eleganter wäre es, er würde seine Spieler anweisen, bereits beim Warmmachen so viel zu grätschen, dass der Werbeschriftzug unter einer Schlammkruste verschwindet. Allerdings sähe man dann auch den äußerst dekorativen Diagonal-Bruststreifen nicht mehr, der nun die Werder-Trikots ziert. Abgeschaut hat sich der Ausrüster den bei den Peruanern, die seit jeher in den schönsten Leibchen verlieren. Nur schade, dass Ailton ausgerechnet vor dem epochalen Kollektionswechsel von Bremen zum bieder-ungestreiften Schalke 04 wechselte. Dabei hätte der breite Ring über der Brust die figürlichen Besonderheiten des mobilen Kubikmeters sicher noch besser zur Geltung gebracht.