Demos & Liebesparaden
: Techno-Trauerzug

Nur wenigen ist es vergönnt, an dem Ort zu sterben, an dem sie geboren wurden. Der Love Parade wurde diese Ehre nun endgültig zuteil. Es war ein Sterben auf Raten, das Mitte der 90er-Jahre begann. Die ursprüngliche Idee einer lauten, unabhängigen, unbändigen und bunten Szeneparade wurde jetzt definitiv zu Grabe getragen. Der Totengräber: die Szene selbst.

KOMMENTARVON OLIVER TRENKAMP

Die 10.000 Teilnehmer von „Fight the Power“, die an jenem Ort tanzten, wo der Techno-Umzug 1989 aus der Taufe gehoben worden war, demonstrierten politische Inkompetenz. Während es der Szene auf dem Ku’damm primär ums wilde Feiern ging, verband der „Music Day“ an der Siegessäule seine Party mit politischen Aussagen. Doch den Mut zu Inhalten hatten nur wenige hundert.

Unabhängige Labels und Künstler haben Techno vor Jahren zum Leben erweckt und immer wieder für kreativen Input gesorgt. Sie gebaren eine Szene, die Berlin lebendiger gemacht hat. Das langsame Sterben begann, als Sponsoren wie RTL II auf den Liebeszug aufsprangen. Der Trend spiegelte sich in der Clubkultur wider: keine Party ohne Sponsoren, kein Rave ohne mediale Unterstützung.

Gegen die Dominanz großer Sponsoren und Plattenfirmen richtete sich der „Music Day“. Hier sollte ein Zeichen gegen die Kommerzialisierung gesetzt werden. Doch die Szene spielte lieber eine Miniaturparade nach. So wurde aus der Demo für die Wiedereinführung der Love Parade ein Leichenschmaus ihrer ursprünglichen Ideale. Profiteure sind Großsponsoren und Major-Labels: Sie werden 2005 versuchen, als rechtmäßige Erben aufzutreten – in Clubs, Plattenläden und bei der Parade selbst, die werbewirksam durch die Straßen feiern wird. Wahrscheinlich live übertragen bei RTL II.