MIT DRASTISCHER AUSLÄNDERPOLITIK ISOLIERT SICH DÄNEMARK IN EUROPA
: Politik des Taubstellens

Es ist nur das letzte Beispiel in einer stetig länger werdenden Reihe. Wie Dänemark jetzt die Kritik des Europarats an seiner Ausländerpolitik entrüstet von sich weist und mit persönlichen Ausfällen reagiert, so macht Kopenhagen dies nun schon seit Jahren. Ob es Komitees der Vereinten Nationen, Vertreter kirchlicher oder internationaler Organisationen sind oder jetzt eben der Menschenrechtskommissar Alvaro Gil-Robles. Dänemark ist unfehlbar, hat als einziges Land Rezepte zur Begrenzung der Einwanderung gefunden, die ebenso „erfolgreich“ – nur nicht für die direkt Betroffenen – wie rechtlich unangreifbar sind. Und wer das nicht versteht, ist dazu aufgrund seiner kulturellen Engstirnigkeit nicht in der Lage oder handelt böswillig, mit welchen Hintergedanken auch immer.

Dänemark brüstete sich einmal, „das humanste Ausländerrecht der Welt“ zu haben. Doch ist über zwanzig Jahre her. Mittlerweile legt die Regierung ihre ganze Energie allenfalls noch in den Streit mit den anderen 44 Mitgliedsländern des Europarats, ob man beim Balanceakt auf der äußersten Kante der Menschenrechtskonvention schon übergetreten ist. Und ob man bei noch großzügigerer Auslegung der Paragrafen die Schrauben der Ausländerpolitik nicht vielleicht doch ein wenig weiter anziehen könnte.

Fast schlimmer noch ist das Schweigen dazu in Dänemark. Wo ist die politische Opposition, welche den Gil-Robles-Bericht zum Anlass nimmt, eine Debatte loszutreten? Die amtierende Rechtskoalition überlebt nur dank der Unterstützung der ausländerfeindlichen Dänischen Volkspartei. Doch auch die Sozialdemokraten trugen nicht nur weite Teile des jetzigen Umschwungs mit. Sie haben diesen sogar eingeleitet und fürchten sich nun offenbar vor allem vor einem Fehltritt: sich mit Verständnis für „Neu-Dänen“ die guten Chancen bei den nächsten Wahlen wieder zu versauen.

Was viel über die Stimmung in einem Land aussagt, das es dank kräftiger Unterstützung einer nahezu geeinten PolitikerInnenschar so schwer hat, eine multiethnische Gesellschaft zu akzeptieren. Kritiker werfen dem Land inzwischen einen regelrechten Kulturkampf gegen „Third-world-looking people“ vor. Gelingt es den vereinzelten zur Umkehr mahnenden Stimmen nicht endlich, sich Gehör zu verschaffen, ist die rüpelhafte Replik des so genannten Integrationsministers Bertel Haarder, ein Spanier wie Gil-Robles verstehe „die Frauenperspektive“ der 24-Jahre-Grenze für Eheschließungen nicht, eine kolossale Untertreibung: Dann verstehen nicht nur die Spanier, sondern bald alle Europäer die Dänen nicht mehr. REINHARD WOLFF