Der Europarat rügt Dänemarks Regierung

Menschenrechtskommissar kritisiert restriktive Ausländerpolitik. Mindestheiratsalter verletzt Gleichheitsgrundsatz

STOCKHOLM taz ■ Die bislang schwerwiegendste internationale Kritik an der zunehmend restriktiven Ausländerpolitik Dänemarks hat jetzt der Europarat formuliert. In einem Bericht des Menschenrechtskommissars Alvaro Gil-Robles wird die dänische Gesetzgebung als „restriktiver Umschwung mit einem immanenten Risiko, was den Schutz der Menschenrechte angeht“, bezeichnet. Noch deutlicher wurde John Dalhuisen, Sprecher des Kommissars, der in der Tageszeitung Politiken sagte, die Behördenpraxis habe die Grenze zur Menschenrechtsverletzung in Einzelfällen überschritten.

Konkret kritisiert Gil-Robles vor allem die Mindestgrenze von 24 Jahren bei Eheschließungen zwischen ausländischen Eheleuten, die Pflicht zur Hinterlegung einer Sicherheit von 50.000 Kronen (ca 6.300 Euro) bei Familienzusammenführungen und die Notwendigkeit einer Prüfung, ob eine feste Anstellung zur Sicherung des Lebensunterhalts vorhanden sei. Solche Bestimmungen verletzten das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz.

Gezielt getroffen würden AusländerInnen mit geringem Einkommen und ohne Vermögen. Darüber hinaus „führen solche Regelungen zu einer ständigen Belastung und einer Angst, von seinem Ehegatten getrennt und gezwungen zu werden, ins Ausland umziehen zu müssen, um sein Familienleben fortsetzen zu können“.

Nicht zuletzt liefen diese Verschärfungen den Bestrebungen zu einer besseren Integration der ausländischen Bevölkerung zuwider und legten geradezu die Basis für weitere Polarisierung.

Gil-Robles empfiehlt Dänemark deshalb mehrere Gesetzesänderungen, so die Abschaffung der 24-Jahre-Heiratsgrenze und der Verpflichtung zur Hinterlegung einer Banksicherheit. Das Recht auf Familienzusammenführung solle verbessert werden, Lücken im Rechtsschutz von AusländerInnen seien zu schließen. Außerdem solle Kopenhagen sich bemühen, seine Anstrengungen gegen Tendenzen wachsender Intoleranz und Diskriminierung zu verstärken.

Während Flüchtlingshilfeorganisationen den Bericht begrüßten und ihn als Handbuch für mögliche Klagen von AusländerInnen gegen Dänemark vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof bezeichneten, wies die Regierung in Kopenhagen die Kritik scharf zurück. Er habe „keine Ratschläge von irgendjemand nötig“, ereiferte sich Integrationsminister Bertel Haarder: „Was richtige Integrationspolitik ist, weiß ich selbst.“ Seine Regierung werde den Empfehlungen des Europarats nicht folgen. Gil-Robles wirft er vor, mit seiner Kritik sich nicht von der Konvention der Menschenrechte leiten zu lassen, sondern politische Absichten zu verfolgen. Die verschärften Gesetze hätten positive Auswirkungen gehabt „und nutzen den hier lebenden Ausländern“. Mit dem Mindestalter für Eheschließungen wolle man „junge Menschen schützen“. „Je später junge Leute heiraten, um so größer sind ihre Möglichkeiten zur Ausbildung und Beschäftigung.“ Die Kritik des Europarats, der Staat mische sich unzulässig in die individuellen Rechte von Menschen ein, lässt Haarder nicht gelten. „Wir sind das einzige Land, das ein Mittel gegen arrangierte Eheschließungen gefunden hat. Das heißt 24-Jahre-Grenze.“

Peter Skaarup, Vize-Vorsitzender der fremdenfeindlichen Dänischen Volkspartei, formulierte es kurz und knapp. „Der Europarat“, sagte er, „soll seine Schnauze halten.“ REINHARD WOLFF

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