Viel Zwist um Qualm

Mit Mitteln der Tabakindustrie soll fürs Nichtrauchen geworben werden. Entsprechend doppeldeutig seien die Plakate, kritisieren Tabakgegner

von MATTHIAS BRAUN

„Die Bundesregierung paktiert mit der Tabakindustrie“, beklagte sich Johannes Spatz gestern bei der taz. Der Sprecher des Berliner „Forums Rauchfrei“ weilt gerade in Helsinki, wo sich Nichtraucher aller Nationen zur 12. Tabakkonferenz der Weltgesundheitsorganisation (WHO) versammelt haben. Am Dienstag brach dort ein Entrüstungssturm los. Grund der Aufregung war ausgerechnet ein natürlicher Verbündeter der Nichtraucher – die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Ziel der internationalen Schmäh ist eine Anzeigenkampagne der BZgA, die gerade in Jugendzeitschriften wie Bravo und Popcorn läuft. Auf ganzseitigen Fotos sind jugendliche Raucher in verschiedenen Alltagssituationen zu sehen. Unter anderem ein küssendes Teenie-Paar. Er beugt sich über sie. Sie hält eine Zigarette in der Hand. Daneben steht groß: „Raucher haben Kontakt“. In etwas kleinerer Schrift geht es weiter: „Mit krebserregenden Stoffen wie Arsen, Benzol, Radon oder Teer.“ Für die Kampagne wurden weitere vier Motive entworfen.

Die in Helsinki versammelten Nichtraucher kritisierten, die Werbung animiere zum Rauchen. „Die Verführung zum Rauchen ist perfekt“, empörte sich Friedrich Wiebel vom Aktionsbündnis Nichtrauchen, „Der kleine Schuss Gegenwarnung macht das Rauchen erst richtig attraktiv.“ Und die Präsidentin des Weltkongresses, Lisa Elovainio, sekundierte ihrem deutschen Kollegen: „Diese Kampagne ist ein Schlag ins Gesicht aller, die sich dem Schutz von Jugendlichen vor Drogen einsetzen.“

Über solch starken Tobak konnte sich die BZgA-Chefin Elisabeth Pott „nur wundern“. Man habe die Motive an 1.400 Jugendlichen gestestet, bevor die Anzeigenplätze gebucht wurden. Dieser Pretest habe ergeben, dass die Jugendlichen die tabakfeindliche Botschaft verstanden hätten. Im Gegensatz zu den Kritikern. „Das passiert ja häufiger, dass Anzeigen, die für Jugendliche entworfen wurden, von Älteren nicht verstanden werden“, sagte Pott zur taz.

Der sommerliche Bruderzwist unter den Tabakgegnern hat handfeste politische Gründe. Finanziert wird die Kampagne der BZgA nämlich mit Mitteln der Tabakindustrie. In den nächsten fünf Jahren stellen sechs deutsche Tabakfirmen 11,8 Millionen Euro für Nichtraucherpropaganda zur Verfügung. So steht es in einem Vertrag, den Regierung und Tabakindustrie im letzten Jahr unterzeichnet haben. Darin heißt es auch, das Geld dürfe nicht für Werbung verwendet werden, die die Zigarettenindustrie „diskriminiere“ oder erwachsene Raucher „verunglimpfe“. Das Kabinett Schröder opponiert zudem als einzige EU-Regierung gegen ein Tabakwerbeverbot. Ende Juni veröffentlichte die EU eine entsprechende Richtlinie, dagegen will das Bundesfinanzministerium spätestens Ende August beim Europäischen Gerichtshof klagen.

„Hier in Helsinki werde ich dauernd gefragt, warum Deutschland einen solchen Sonderweg geht“, berichtete Spatz gestern vom Tabakkongress. Darauf zu antworten wird er noch öfter Gelegenheit haben.