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Auf hoher See herrscht Müllnotstand

Wissenschaftler warnen: Mikroskopisch kleiner Plastikabfall treibt inzwischen überall im Meer und wird auch von Lebewesen aufgenommen. Im Pazifik schwimmt zudem ein riesiger Müllteppich, so groß wie Mitteleuropa, und droht Inseln zu überfluten

AUS BERLIN BERNHARD PÖTTER

Plastikmüll, der auf den Weltmeeren treibt, wird zu einem ernsten Umweltproblem. Der Abfall aus Verpackungen, Kleidung und Schiffsausrüstung treibt inzwischen so gut wie überall im Wasser und gefährdet Seevögel und -säugetiere, transportiert Gifte, Keime und eingeschleppte Tier- und Pflanzenarten. Das belegen mehrere Studien, unter ihnen eine aktuelle Untersuchung der englischen Universität Plymouth.

Die Forscher um den Meeresbiologen Richard Thompson untersuchten Meerwasser an der britischen Küste und im Ufersediment. Ihr Resultat: mikroskopisch kleine Plastikteilchen „sind in den Ozeanen weit verbreitet und haben sich in den Uferzonen angesammelt“. Auch im Plankton auf hoher See hätten sich die Miniplastikteile seit den Sechzigerjahren angesammelt, mit einer deutlichen Zunahme in den letzten Jahren. Da jedes Jahr Millionen von Tonnen von Plastik erzeugt würden, und „diese Art von Verunreinigung weit fortgeschritten ist“, sei mit einer weiteren Verschmutzung der Meere durch diesen kleinteiligen Plastikmüll zu rechnen.

In Laborversuchen wiesen die Wissenschaftler in Plymouth nach, dass Kleinstlebewesen wie Würmer und Krebse die winzigen Plastikteile in den Körper aufnahmen. „Die Auswirkungen auf die Umwelt durch diese Verunreinigung sind noch nicht bekannt“, bilanzieren die Forscher.

Andere Folgen des treibenden Plastikmülls sind gut dokumentiert. So berichten Forscher der „Algalita Research Foundation“ in Kalifornien über einen riesigen Müllteppich in der Mitte des pazifischen Ozeans. Vor allem Plastikmüll, der im Wasser kaum verrotte, sammle sich durch die Meeresströmungen und durch den Wind auf einer Fläche von der Größe Mitteleuropas. Geschätzte drei Millionen Tonnen Müll von den Küsten der Pazifikanrainerstaaten oder von Schiffen dümpeln in dem windarmen Gebiet im zentralen Nordpazifik abseits der Schifffahrtsrouten vor sich hin – möglicherweise noch die „nächsten 300 Jahre“, schätzen Forscher.

Für Fische und Seevögel, die den Müll für Beute halten, ist das eine tödliche Bedrohung. In diesem Gebiet kommen nach Untersuchungen der „Algalita“-Forscher auf ein Kilo tierisches Plankton an der Meeresoberfläche sechs Kilo treibender Plastikmüll.

Vor den hygienischen Folgen des Mülls auf dem Meer warnt das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Unep). Kleine Inseln im Pazifik und Indischen Ozean würden von den treibenden Abfallbergen geradezu überflutet. Durch die Beseitigung des Mülls seien die Inselbewohner einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt, heißt es in einer im März vorgestellten Studie.

Eine andere Gefahr durch den schwimmenden Müll hat der irische Zoologe David Barnes von der Cork College University ausgemacht: Kleine Lebewesen wie Muscheln, Polypen, Krebse, Moostierchen und Seepocken nutzten den schwimmenden Plastikmüll als „Mitfahrgelegenheit“ zu neuen Lebensräumen. Diese Art der „illegalen Einwanderung“ könne dazu führen, dass einheimische Arten verdrängt werden. Der Zivilisationsmüll habe das Ausbreitungspotenzial dieser Arten verdoppelt, in den Polargebieten sogar verdreifacht, hieß es. Noch hielten zwar die niedrigen Temperaturen die Einwanderer in Schach. Doch wenn sich die Polargebiete durch den Treibhauseffekt leicht erwärmten, könnten die auf dem Plastikmüll angeschwemmten fremden Arten laut Barnes „diese Ökosysteme drastisch und unwiderruflich verändern“.

www.algalita.org www-biology.plymouth.ac.uk

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