Buchkampf ums letzte Geld

Der Weltkongress Bibliothek und Information geht in Berlin zu Ende. Während die globale Zusammenarbeit immer besser wird, scheitern die Bibliotheken in Berlin schon an Bezirksgrenzen

von NICOLAI KWASNIEWSKI

In Themengruppen sortiert, nach Ländern und Inhalten gegliedert – ein Bibliothekarskongress ist erwartungsgemäß gut organisiert, kategorisiert, geordnet. Die Zusammenarbeit der Berliner Öffentlichen Bibliotheken ist da anders: Sie sind den Bezirksämtern zugeordnet, die von Förderung unterschiedliche Vorstellungen haben.

Morgen geht der Weltkongress Bibliothek und Information des Internationalen Bibliotheksverbandes (Ifla) in Berlin zu Ende. 4.000 Bibliothekare aus 140 Ländern diskutierten über Kamelbibliotheken in Kenia, personallose Bibliotheken in Singapur und „Gefangenenbibliotheken als Portale begrenzter Freiheit“. Die Berliner Probleme wurden nur kurz gestreift. Seit der Bezirksreform sind einige Bibliotheken im Bereich Bildung, andere im Bereich Kultur organisiert, manche ganz selbstständig. Eine Abstimmung auf politischer Ebene ist, so Claudia Lux, Generaldirektorin der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB), in ihrem Kongress-Beitrag, „noch schwieriger als vorher“ (siehe Interview).

Bereits 1996 haben sich die Amerika-Gedenkbibliothek und die Berliner Stadtbibliothek in einer Stiftung zur Zentral- und Landesbibliothek zusammengeschlossen. Lux fordert nun ein ähnliches Modell für alle Berliner öffentlichen Bucharchive. Insgesamt drei Konzepte wurden auf einer Stadtratssitzung am 7. Juli vorgestellt: der Fortbestand der bezirklichen Zuständigkeit, der Zusammenschluss aller Bibliotheken in einem Landesverbund und der Zusammenschluss der Bezirksbüchereien ohne die ZLB. Doch die Mehrheit der Stadträte war dafür, den Status quo zu behalten.

Dabei hat man sich im 1998 gegründeten Verbund der Öffentlichen Bibliotheken Berlins (Vöbb) mit gemeinsamem Ausweis und elektronischem Katalog schon zusammengeschlossen. Jeder Nutzer kann seitdem alle Medien der öffentlichen Bibliotheken in seiner Stadtteilbücherei bestellen. Über den Erwerb der Medien entscheiden die Bezirksbibliotheken jedoch immer noch alleine. Unterfinanzierte Büchereien können keine Neuanschaffungen mehr tätigen, die Nachfrage sinkt, das Budget daraufhin auch. Da der Buchverleih nicht zu den Pflichtaufgaben der Bezirke gehört, fällt er immer häufiger Sparzwängen zum Opfer. Im Bibliotheksentwicklungsplan von 1995 wurden zwar Richtlinien festgelegt, aus Finanznot können die aber selten eingehalten werden.

Der Leiter der Stadtbibliothek Tempelhof-Schöneberg, Engelbrecht Boese, ist gegen einen Bibliothekenverbund. Einerseits würde das den „Prinzipien der Verwaltungsreform widersprechen“, andererseits wären eine Landesverwaltung zu „schwerfällig“ und die Bibliotheken „zu weit weg von den Bürgern“. Um eine vergleichbare Versorgung der Bürger zu ermöglichen, solle der Senat vielmehr „Mindeststandards festlegen“ in einem Bibliotheksrahmengesetz.

Im hoch verschuldeten Bezirk Marzahn-Hellersdorf sind jetzt weitere Bibliotheksschließungen geplant. Nachdem im vergangenen Jahr bereits vierzehn Bibliotheken zu sieben fusioniert wurden, sollen jetzt nur noch fünf Bücherhallen an vier Standorten übrig bleiben. So würde, hoffen die Verantwortlichen, mehr Geld für die Anschaffung neuer Medien frei. Kulturstadträtin Marlitt Köhnke (SPD) wünscht sich eine Fusion aller Berliner Bibliotheken und damit ein Ende des „ewigen Kampfes ums Geld“. Den in ihrem Bezirk hat sie längst verloren.