philipp maußhardt über Klatsch
: Sei jetzt ganz still

Guido Westerwelle hatte ein Verhältnis mit Michel Friedman. Und Jürgen W. Möllemann besaß das Video dazu

Die Frage, warum Jürgen W.Möllemann sterben musste, stellen sich noch immer viele Menschen in unserem Land. Sie fragen sich nicht, warum durfte er sterben oder warum wollte er sterben, nein, musste. Für sie steht fest, dass dunkle Mächte ihn aus dem Weg räumten, weil er ihre Kreise störte. Den irsaelischen Geheimdienst Mossad halten manche dazu für fähig.

Ich mag Verschwörungstheorien. Sie zeigen mir, dass das Bedürfnis vieler Menschen nach Sinnhaftigkeit und nach einer mächtigen, hinter allem stehenden höheren Instanz doch noch nicht ganz verschwunden sind. So lichten sich die Reihen in den Kirchenbänken zwar immer mehr, gleichzeitig aber steigen die Auflagen der Verschwörungstheoretiker. Das sollte die deutsche Bischofskonferenz eigentlich beruhigen.

Andreas von Bülow, der frühere SPD-Verteidigungsminister (immerhin zwei Wochen lang) gilt dabei nach dem 11. September 2001 als einer der ganz großen Durchblicker, der noch hinter jedem Ladendieb das schröckliche Antlitz eines CIA-Agenten erblickt. Der amerikanische Secret Service zieht die Strippen, der lenkt die Geschicke der Welt, der manipuliert uns, ohne dass wir es wissen. Mir fällt dabei immer jener Abend vor etwa 30 Jahren ein, als Andreas von Bülow bei meinen Eltern am Esstisch saß und, wenn ich es noch richtig weiß, einen Wurstsalat aß. Er wollte damals Oberbürgermeister von Reutlingen werden, wurde aber von den Reutlingern nicht gewählt. Wahrscheinlich hält er seine Wahlniederlage von einst auch für eine Intrige des CIA.

Aber um auf Möllemann zurückzukommen: Warum also musste er sterben? Im Herbst wird die Republik mehr darüber erfahren, wenn der Münchner Frisör Gerhard Meir seinen zweiten Roman auf den Büchermarkt wirft. Eineinhalb Jahre ist es her, da hatten Meir und seine Co-Autorin Christine Eichel mit dem Erstlingswerk „Der Salon“ einen echten Knaller gelandet, voller selbst erlebter und kaum verfremdeter Geschichten aus der Welt seiner Kundinnen. Man sollte sich ja nicht selbst zitieren, aber damals forderte ich tatsächlich: „Scheren zu Schreibmaschinen“ – und Meir hielt sich dran. Nun also „Erzähl mir alles!“

Wieso geht eigentlich so oft der zweite Versuch in die Hose? Gelingt einem einmal die mit Lachsfarce gefüllte Zucchiniblüte ausgezeichnet und man will sie nun das zweite Mal für einen größeren Freundeskreis zubereiten: die Farce wird bestimmt nicht fest und bleibt suppig. Ähnlich, wenn Kinder das erste Mal ohne Stützräder fahren können. Alle Erwachsenen klatschen und ansgespornt von dem Applaus wollen sie ein zweites Mal fahren, fallen sie auf die Nase und weinen. Wir waren bei Jürgen W. Möllemann und warum er sterben musste. Gerhard Meir hat eine hochinteressante Theorie, die, da ein Frisör sie erzählt, einem hohen Wahrheitsgehalt entspricht. Möllemann, im Buch Hollmeier geheißen, ist, sorry, war im Besitz eines Videos, das Guido Westerwelle (alias Patrick Lundgren) zusammen mit Michel Friedman („Hans von Ladanyi“) beim Liebesspiel auf den Seychellen zeigt. Darf ein Frisör, und sei es Deutschlands berühmtester Promi-Frisör, eigentlich solche Dinge unverblümt schreiben? Dass Guido Westerwelle in Berliner Schwulen-Saunas verkehrt? Dass Michel Friedman bisexuell ist? Stünde es in Bild oder Bunte, würden sich Kompanien von Rechtsanwälten zur Schlacht aufstellen.

So aber wird es ruhig im Gerichtssaal bleiben, wenn das Buch im Herbst erscheinen wird. Und Möllemann stirbt seinen (gerechten) Tod auf Seite 296. Das andere Video, das Möllemann für viel Geld gekauft hat und auf dem Michel Friedman beim Koksen zu sehen ist, tauchte übrigens in Wirklichkeit nie auf. Wir verstehen: die Geheimdienste und so weiter.

Die Autoren beteuern im Übrigen, sie hätten das Manuskript des Buches längst fertig gehabt, als die Möllemann- und die Friedman-Affären ihren Lauf nahmen. Dann besitzen sie prophetische Gaben. Denn Klatschreporterin Gabriele Himmerl sagt bereits auf Seite 166: „Naja, der Ladanyi (Friedman) der soll ja durchaus mal ein paar Mädels in seine Interconti-Suite ordern. Aber der guckt auch auf die andere Seite des Ufers.“

Echter Klatsch als Romangrundlage ist vielleicht das beste Ausgangsmaterial. Man sollte, auch wenn es diesmal schief ging, nicht den Lockenstab über Gerhard Meir brechen. Denn es gibt in seinem neuen Buch auch Sätze von großer Wahrheit: Michel Friedman (Hans von Ladanyi) spricht ihn aus: „Klatsch ist ein Spiegel, in den wir hineinsehen.“

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