In Italiens Regierung kriselt es

Wachsende Kritik an Berlusconi. Christdemokraten drohen mit Auszug aus der Koalition

ROM taz ■ Italiens Regierung balanciert weiter hart am Rand einer Krise, nachdem am Sonntagabend der Koalitionsgipfel keine Lösung gebracht hatte. Eine neue Runde war für gestern Abend einberufen – und sie wird wohl über das Schicksal von Premier Silvio Berlusconi entscheiden.

Hauptgegner des Ministerpräsidenten ist in diesen Tagen Marco Follini, Chef der UDC, der Christdemokratischen Zentrumsunion. Die gemäßigte Partei war schon seit Monaten mit dem populistischen Krawallkurs des Regierungschefs und seines Lieblings-Koalitionspartners Lega Nord nicht mehr einverstanden. Zusätzliches Selbstvertrauen gewann die UDC durch die Europawahlen, bei denen sie ihre Stimmen mit knapp 6 Prozent fast verdoppelte, während Berlusconis Forza Italia von 29,4 (2001) auf 21 Prozent abrutschte.

Follini unterstützte deshalb massiv die Offensive des vierten Partners in der Koalition, der Alleanza Nazionale unter Gianfranco Fini, gegen den Schatzminister und Berlusconi-Intimus Giulio Tremonti. Der trat zurück – aber Berlusconi rächte sich an Follini und Fini, indem er selbst das Interim im Schatzministerium übernahm und damit klar machte, das er zu einem Bauernopfer bereit war, nicht aber zu einer politischen Wende.

Die aber will Follini jetzt um jeden Preis erzwingen. Er fordert die sofortige Neubesetzung der Position des Schatzministers, die Abkehr von Berlusconis Steuersenkungsplänen zu Gunsten vor allem der Begüterten, den Abschied von den Föderalismus-Plänen, die der Lega Nord am Herzen liegen, und dazu noch die Einsetzung einer neuen, weniger Berlusconi-hörigen Spitze beim Staatssender RAI. Berlusconi müsse endlich den Übergang „von der Monarchie zur Republik“ vollziehen, so der Chef der Christdemokraten, der andernfalls mit dem Auszug aus der Koalition und der Stützung einer Berlusconi-Minderheitsregierung „von außen“ drohte.

Berlusconi reagierte auch auf dem Sonntagsgipfel äußerst schroff auf diese Attacke. Zum Auftakt drohte er Follini ganz offen mit einer Offensive seiner Fernsehsender gegen die Christdemokraten. Er fügte hinzu, er werde einen Koalitionsbruch mit sofortigen Neuwahlen beantworten. Die allerdings würden todsicher zum Desaster des Rechtsbündnisses. Deshalb erscheint trotz des persönlichen Zerwürfnisses zwischen Berlusconi und Follini ein Kompromiss in letzter Minute als wahrscheinlichere Lösung. MICHAEL BRAUN