Die neuen Diamantenkriege in Afrika

Seit der Einrichtung des „Kimberley-Prozesses“ zur Regulierung des Handels taugt das Geschäft mit den Edelsteinen nicht mehr zur Kriegsfinanzierung. Aber jetzt greifen Regierungen im Namen des Kampfes gegen Illegalität durch, vor allem in Angola

Illegale Ausländer befinden sich am untersten Ende des Diamantengeschäfts

VON FRANÇOIS MISSER

Die großen Kriege um Diamanten zwischen Regierungen und Rebellen in Afrika sind vorbei; die kleinen Kriege zwischen formellen und informellen Diamantenschürfern gehen weiter. Das ist das Ergebnis des jetzt bald ein Jahr alten „Kimberley-Prozesses“. Damit richtete die globale Diamantenindustrie nach internationaler Empörung über die Kriegsfinanzierung durch Diamantenausbeutung seitens Rebellen in Angola und Sierra Leone ein weltweit gültiges Zertifikatsregime ein, wonach nur noch Diamanten mit einem staatlichen Echtheitszertifikat legal auf den internationalen Markt kommen können.

Im Namen des Kampfes gegen illegale Diamantenausbeutung werden nun seit einem halben Jahr Zehntausende illegale Ausländer aus Angola verjagt. Vergewaltigungen, Plünderungen und massive Vertreibungen kennzeichnen die Kampagne. Zwischen Dezember 2003 und April 2004 wiesen Angolas Behörden rund 65.000 so genannte Bana Lunda aus, auf eigene Faust arbeitende kongolesische Diamantenschürfer in den diamantenreichen Flussbetten der angolanischen Provinz Lunda Norte. Viele der Kongolesen wurden gefoltert, ihrer gesamten Habe beraubt und mussten wochenlang durch den Busch in ihr Heimatland irren, meldeten UN-Agenturen. Die „Säuberung“ der Diamantenminen ging einher mit Kämpfen zwischen Angolas Militär und exilierten kongolesischen bewaffneten Gruppen.

Ein Moratorium auf die Ausweisungen wurde Ende April beschlossen und lief theoretisch Mitte Juni aus. Nun ist die Frage, wie es weitergeht: Insgesamt 350.000 Illegale will Angolas Regierung aus den Diamantengebieten vertreiben, wie sie selbst im Februar sagte. Es geht dabei nicht nur um Kongolesen. Auch andere Ausländer – Südafrikaner, Sudanesen, Ruander, Ugander und Westafrikaner – wurden misshandelt und vertrieben, nachdem sie jahrelang unter dem Schutz mächtiger Angolaner Diamanten gesucht hatten. Gerade die illegalen Ausländer befinden sich am untersten Ende der Kette des angolanischen Diamantengeschäfts, von dem der Kimberley-Prozess nur das oberste, international sichtbare Ende regelt – den Export – ohne Rücksicht auf die Vorgänge in den Diamantenminen selbst.

Bei den Vertreibungen in Angola sind mächtige Interessen im Spiel. Die private Sicherheitsfirma Alpha 5 und die berüchtigte „Diamantenschutzbrigade“ (Corpo de Seguranca dos Diamantes) des angolanischen Militärs unter Leitung von Angolas Geheimdienstchef Fernando Miala sind dabei, die Minen zugunsten im Kimberley-Prozess anerkannter internationaler Bergbaufirmen wie Odebrecht aus Brasilien, Trans Hex aus Südafrika oder SDM aus Angola zu räumen, zum Profit auch des daran beteiligten angolanischen Kapitals in Händen von Mitgliedern der regierenden Elite.

Dies ist keine angolanische Besonderheit. In Guinea, Kongo, Sierra Leone und anderen Ländern hat es Zwangsräumungen von Minen zugunsten privater Interessen im Namen einer Sanierung des Diamantengeschäfts gegeben. Kirsten Hund von der niederländischen NGO Niza (Nederlandse Instituut voor Zuidelijke Afrika) sagte bei einer Anhörung des Europaparlaments, es gehe jetzt um die soziale Verantwortung der Bergbauindustrie überhaupt. Die internationalen Firmen seien letztlich auch für die ökologischen und sozialen Folgen der Diamantenförderung zuständig, nicht nur für die Frage, ob Diamanteneinnahmen Rebellen zugute kommen.

Aus Sicht von Niza muss auf den Kimberley-Prozess daher ein zweiter Schritt folgen, der nach der Regulierung des internationalen Diamantengeschäfts auch die Nutzung der Einnahmen in den Förderländern regelt. Dafür sei eine Stärkung von zivilgesellschaftlichen Gruppen nötig, damit diese eine Überwachung vornehmen und Alarm schlagen können. Die Bergbaufirmen müssten ihre Zahlungen an Regierungen in Förderländer offen legen, damit Schmiergelder öffentlich werden. Hier trifft sich Niza mit Forderungen internationaler NGOs wie Global Witness nach einer Offenlegung von Zahlungen im internationalen Ölgeschäft – die Kampagne „Publish What You Pay“.