Braucht es für die Frauen ein Gesetz?

Der Widerstand gegen ein Gleichstellungsgesetz ist in der Wirtschaft so groß, dass Expertinnen Alternativen suchen

BERLIN taz ■ Kaum werden die ersten Zahlen bekannt über kaum vorhandene Bemühungen der Wirtschaft, etwas für die Chancengleichheit von Frauen und Männern zu tun, da rufen Lobbygruppen wieder nach dem einst versprochenen Gleichstellungsgesetz. Doch nachdem Frauenministerin Renate Schmidt signalisiert hatte, sie wolle ein solches Gesetz nicht, werden auch Stimmen anderer Expertinnen laut, die über Alternativen nachdenken.

Sie erinnern sich gut an den Herbst 2000, als die damalige Frauenministerin Christine Bergmann ihr Gleichstellungsgesetz plante. Die Unternehmer motzten, der Wirtschaftsminister mauerte und am Ende kassierte der Kanzler das Vorhaben. Die Wirtschaft solle freiwillig etwas tun. Zeige sich bis 2003 keine Wirkung, dann werde die Regierung handeln, so Kanzler Schröder etwa 2002, als er noch Wahlkämpfer Schröder war. Seitdem wedeln Frauenverbände, Gewerkschaften oder Grüne regelmäßig mit neuen Zahlen, die zeigen, dass selbstredend nichts passiert sei. Sie fordern, endlich Bergmanns Gesetz zu reaktivieren. Die Wirtschaft mauert natürlich weiterhin.

So sind auch Expertinnen für Gleichstellungsfragen ins Nachdenken gekommen. „Dem Gesetz für die Privatwirtschaft weine ich keine Träne nach“, erklärt Jutta Allmendinger, seit 2003 Direktorin des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), das am Mittwoch einen Bericht über (weitgehend fehlende) Gleichstellungsmaßnahmen in Betrieben vorgestellt hatte. Sie halte viel von der Positionsveränderung, die Renate Schmidt vollzogen habe: „Sie nimmt den DGB und verschiedene Stiftungen mit ins Boot. Anstatt immer auf ein Gesetz zu pochen, bildet sie vor Ort Allianzen.“ Das werde mehr nutzen als ein Gesetz, das niemand umsetzen wolle.

Die Gesetzesverfechterinnen haben allerdings ebenfalls gute Gründe. Sie wissen, dass ein Unternehmen sich an einer Allianz beteiligen kann – oder eben nicht. Ein Gesetz würde gewisse Maßnahmen erzwingen, hoffen etwa die Grünen. Bergmanns Eckpunkte sahen vor, dass quotierte Betriebsräte Ziele wie flexible Arbeitszeiten oder die erwünschte Zahl der Frauen in Führungspositionen mit den Firmen aushandeln. Wären diese Ziele wiederholt verfehlt worden, hätte es Bußgelder gehagelt. Der Haken: Eine externe Kontrolle war nicht vorgesehen.

Vergleicht man nun, was die Bundesregierung mittlerweile geregelt hat oder regeln muss, um EU-Recht umzusetzen, dann kommt dies Bergmanns Vorhaben manchmal nahe. Elternzeit- und Teilzeitgesetz sorgen – auf dem Papier zumindest – für eine Flexibilisierung des Normalarbeitstages. Die Betriebsräte sind inzwischen quotiert. Eine EU-Richtlinie sieht sogar Institutionen vor, die die Fortschritte bei der Gleichstellung beobachten, analysieren und fördern sollen. Darauf setzt etwa die Leiterin der Gleichstellungsabteilung des DGB, Anne Jenter: „Wenn sich Arbeitnehmerinnen bei dieser Ombudsstelle beschweren und die eine Lösung findet, ist das besser als ein Gesetz, das niemand überprüft“, so Jenter zur taz. Fraglich bleibt, ob diese Stellen je so reichlich ausgestattet sein werden, wie der DGB es wünscht. Die Grünen jedenfalls wollen, dass die Gleichstellung in Betrieben zumindest in „gesetzlichen Regelungen“ verankert wird – so der Koalitionsvertrag. Was darunter zu verstehen sei, darüber wird wohl noch viel gestritten werden.

HEIDE OESTREICH