razzia in moschee
: Auf dem schmalen Grat zur Hysterie

Die Nachricht klingt alarmierend: In einer marokkanischen Moschee nahe dem Frankfurter Bahnhof sollen Kindern, die am Koranunterricht teilnahmen, Gewalt verherrlichende Propagandavideos vorgeführt worden sein. Die Frankfurter Polizei durchsuchte am Sonntag die Räume des dazugehörigen Kulturvereins, die „Tagesthemen“ brachten die Nachricht von der Razzia gar als Topmeldung.

KOMMENTAR VON DANIEL BAX

Die tatsächlichen Verdachtsmomente wirken dagegen etwas dünn: Eine Schülerin soll ihrer deutschen Lehrerin berichtet haben, im Koranunterricht das Video einer Enthauptung gesehen zu haben.

Werden in deutschen Hinterhof-Moscheen also bereits junge Schüler mit radikalislamistischer Ideologie indoktriniert? Oder zeugt das massive Auftreten der Polizei, die mit 60 Beamten, einigen Dutzend Kollegen vom Ordnungsamt und einem ARD-Kamerateam anrückte, um 19 Computer und ein paar DVDs zu konfiszieren, von Aktionismus um jeden Preis – auch um den Preis, eine ganze Moschee-Gemeinde zu kriminalisieren?

Die Moschee-Durchsuchung in Frankfurt steht in einer ganzen Reihe von Razzien dieser Art. Seit dem 11. September sind auch die deutschen Behörden bemüht, den Eindruck von Tatendrang zu erwecken, wenn es um den Umgang mit radikalen Islamisten geht. Doch ihr Vorgehen zeigt, wie schmal dabei der Grat zwischen notwendiger Wachsamkeit und notdürftig unterdrückter Hysterie ist. Bis zum Generalverdacht gegen alle Muslime, wie er aus Vorschlägen zur Videoüberwachung von Moscheen spricht, ist es da nur ein kleiner Schritt.

Bedarf es wirklich eines so mediengerecht inszenierten Aufgebots wie in Frankfurt, um einem bislang eher vagen Verdacht nachzugehen? Die kleinlaute Aussage der Behörden am Tag nach der Durchsuchung, man brauche jetzt erst einmal zwei Wochen, um das beschlagnahmte Material auszuwerten, da man erst Arabischübersetzer darauf ansetzen müsse, wirft solche Fragen nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel auf. Braucht man wirklich einen Übersetzer, um Enthauptungsvideos zu sichten?

Womöglich haben die Schüler ja bloß den arabischen Nachrichtensender al-Dschasira gesehen, der über die Geiselnahmen im Irak berichtet hat. Oder sich heimlich einen Zombie-Film angeschaut. Damit wäre die Frankfurter Moschee aber noch nicht mal ein Fall für das Jugendamt.

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